1.3.1 Vorwort der Bürgeraktion „Gedenkmaßnahmen für nach Gurs deportierte Mutterstadter jüdischer Herkunft“ u.a. auch an Schülerinnen und Schüler in Mutterstadt, der Pfalz, dem Saarland und in Baden

Obiges Foto in der Mitte zeigt die brennende Synagoge 1938 und die Mutterstadter protestantische Kirche links sowie rechts die katholische Kirche im Zustand vor 1934. Die Zuordnung aus dem Blick des Jahres 2002 hat Symbolwert: Beide Kirchen respektive ihre Gemeinden stellen sich wie schützend auf die Seite des verbrennenden Gotteshauses. Insbesondere viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Kirchengemeinden u.a. der protestantische Pfarrer Lothar Schwarz sind Mitglieder der Bürgeraktion. Zu diesem Engagement treibt u.a. diese Persönlichkeiten die Furcht vor der berechtigten Frage ihrer Kinder und Enkel, was ihre Eltern und Großeltern eigentlich in ihrer Lebenszeit unternommen haben, um das verbrecherische Unrecht der Nationalsozialisten in der Zeit von 1933 bis 1945, begangen an dem jüdischen Bevölkerungsteil, zu verhindern.



Die 2. Bürgeraktion "Gedenkmaßnahmen für nach Gurs deportierte Mutterstadter jüdischer Herkunft" ging eine Bürgeraktion voraus, die durchsetzen konnte, dass 52 nach Gurs deportierte Mutterstadter jüdischer Herkunft auf einer Gedenktafel im Ehrenhof des Neuen Friedhofs der Gemeinde namentlich genannt werden. Um anerkannten Notwendigkeit Rechnung zu tragen, insbesondere Jugendliche via Internet und auf Dauer mit Fakten und Wahrheiten bezogen auf die nationalsozialistischen Gräueltaten zu sorgen, wurde diese ergänzende 2. Bürgeraktion gestartet. [000]

Die im Titel genannten südwestdeutschen Regionen werden auch unter dem Begriff "Gurs-Deportations-Gebiet" zusammengefasst. Was bedeutet dies? 1940, unter der Herrschaft der Nationalsozialisten, wurden am 22./23. Oktober die in diesem Gebiet lebenden Bürger jüdischer Abstammung aus ihren Häusern geholt und in ein Lager in der Nähe des südwestfranzösischen Pyrenäendorfes Gurs deportiert.

Es waren ca. 6000 Personen aus dem Gebiet der heutigen Pfalz, dem Saarland und aus Baden.

Viele von ihnen starben in Südfrankreich. Noch mehr starben 1943 nach einer erneuten Deportation vom Lager Gurs aus in Auschwitz.

Einige konnten von Gurs aus auswandern, meistens nach Amerika, insbesondere in die Vereinigten Staaten.

Wir, die beiden Unterzeichner dieses Vorwortes, sind im Jahr 2002 der amtierende protestantische bzw. katholische Pfarrer in Mutterstadt. In Mutterstadt gab es zum Zeitpunkt der Deportation 1940 noch eine 52 Personen zählende jüdische Gemeinde.

Wir haben uns als Sprecher und Mitgründer der Bürgeraktion zusammen mit einem Kreis von Bürgern, die sich dem Gedenken an die ehemalige jüdische Gemeinde und sich den Bemühungen der Versöhnung mit den damaligen Opfern und ihren Nachkommen widmen möchten, gerne zur Verfügung gestellt.

Ausgestattet mit der einstimmigen, unterstützenden Zustimmung unserer beiden lokalen Kirchengremien, die immerhin mehr als 10 000 Einwohner in Mutterstadt repräsentieren, will die Bürgeraktion einen Beitrag leisten, dass es dem Autoren-Team und dem Herausgeber dieser Internet- und Buchpublikation gelingt, ihre Ziele zu erreichen.

Warum findet sich ein solcher Kreis von Menschen zusammen, um eine derartige Aktivität zu entfalten? Es gibt da eigentlich mehrere und unterschiedliche Gründe. Einer der wichtigsten ist es sicherlich, zum einen begangenes Unrecht an Menschen als solches zu akzeptieren, sich zu entschuldigen und, wenn möglich, mit den Überlebenden und ihren Nachkommen ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen.

Ein weiterer Grund sich zu engagieren ist jedoch das Ziel, dass junge Menschen, u.a. Schülerinnen und Schüler, in ihren Schulen Zugang via Internet zu Informationen haben über die damalige schreckliche Hitler-Diktatur und ihre Verbrechen, vor allem an jüdischen Menschen in ganz Europa, zu Erklärungen, Fakten für Argumentationen und ein Stück Heimatgeschichte.

Insoweit suchen wir als Pfarrer auch die Zusammenarbeit mit Lehrkräften, um diese Internetdokumentation über die damalige Gurs-Deportation im Unterricht zu nutzen z.B. im Ethik-, Religions- oder Geschichtsunterricht.

Doch zurück zu der Bürgeraktion und deren Ziele, wie diese nebenstehend definiert sind. Wir möchten in unserem Vorwort besonders auf Punkt 4 verweisen.

Wir zitieren: "Wir wollen den Bürgern jüdischen Glaubens u.a. in der BRD, den USA, Chile und Argentinien, den Aufnahmeländern der Flüchtlinge und deren Nachkommen vermitteln, dass sie im Jahr 2002 in unserer Mitte in Deutschland willkommen sind". Zitatende.

Diese Formulierungen umfassen unausgesprochen auch all diejenigen Personen, die eine nichtdeutsche Herkunft haben, alle ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Somit bitten wir das Engagement der Bürgeraktion in dieser Internet- und Buchpublikation zu Gunsten der ehemaligen jüdischen Gemeinde und ihrer Nachkommen auch als Engagement für alle Bürger zu werten, die als Minderheit in unserer Mitte leben.

Letztlich möchten wir uns bei den Autoren, insbesondere bei den heute noch in den USA lebenden jüdischen Autoren Heinz Eppler und Werner Dellheim sowie Fred Dellheim, Berlin, alles ehemalige Mutterstadter, und beim Herausgeber dieser Publikation für ihre Mühen bedanken.

Ein besonderer Gruß geht an die damaligen heute noch lebenden Opfer und deren Nachkommen. Wir wollen zusammenstellen, dass keine Unmenschlichkeiten solcher Art mehr unter uns möglich werden können.

Autor: Hans-Peter Jung, Jahrgang 1958, ist protestantischer Pfarrer in Mutterstadt (2002), u.a. zusammen mit seinem katholischen Amtskollegen setzt er sich engagiert für die Unrechtsaufarbeitung und Versöhnungskultur in Mutterstadt ein. Dies führte zu ökumenischen Kirchenveranstaltungen anlässlich entsprechender Opfer-Gedenktage. H.-P. Jung ist Mitbegründer der zwei Bürgeraktionen, die im gleichen Sinne agieren.

Autor: Gerhard Matt, Jahrgang 1940, katholischer Pfarrer in Mutterstadt, setzt sich zusammen mit seinen protestantischen Amtskollegen und im Rahmen von ökumenischen Gedenkveranstaltungen für eine Gedenk- und Versöhnungskultur zu Gunsten der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Mutterstadt ein. Matt ist Mitbegründer von zwei Bürgeraktionen, die in gleichem Sinne agieren mit dem Wunsch, den NS-Opfern wieder einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte zu geben.

Fotos und Sonstiges, sowie die dazugehörenden Texte, die Autoren-Kurzbiographie, wurden durch den Herausgeber zusammengestellt.
Quelle: Siehe Quellennachweis Titel 9 (Nr. 000)