1.5.1 Mutterstadt zwischen Rhein und Rebenhängen
– Eine Ortsbeschreibung -

Ursprünglich, im Jahre 1738, war die rechte Längsseite des Rathauses mit einer von beiden Seiten gerade in das 1. OG verlaufenden Treppe versehen. 1822 erhielt es das jetzige Aussehen. Heute dienen die Räumlichkeiten auch als Museum für Ortsgeschichte das bezüglich Innenarchitektur und Museums-Konzeption nach Vorschlägen des Historischen Vereins der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt realisiert wurde.

Ab 1825 befand sich im obigen Gebäuden das Kantonsgefängnis. Laut der Ortschronik beschlossen die Kantonsgemeinden 1823 am Sitz des Kantons-Friedensgerichts Mutterstadt ein Arresthaus zu bauen, das 1825 seiner Bestimmung übergeben wurde. Von 1875 bis 1916 wurde darin die Schule der israelitischen Kultusgemeinde untergebracht. Ab 1985 wurde das Gebäude als Senioren-Tagesstätte genutzt. [000]

Der Wohn- und Freizeitwert von Mutterstadt ist beachtenswert hoch. Neben einer kinder- und seniorengerechten Walderholungsstätte drückt sich dies auch in einem ultramodernen Hallen- und Freibad sowie einem Sportpark aus. Kosten für die Einrichtungen einschließlich dem Kulturzentrum "Palatinum" werden u.a. von einem ertragsstarken, verkehrstechnisch hervorragend angebundenen Gewerbegebiet, und Süddeutschlands größtem Landesprodukte-Markt "Pfalzmarkt" erwirtschaftet.

Das Foto zeigt die Eröffnungsveranstaltung zur Einweihung des Museums für Ortsgeschichte am 24.08.1990. Zu sehen ist am Rednerpult der Gründungsvorsitzende des Historischen Vereins der Pfalz e.V. Ortsgruppe Mutterstadt, Herr Metzger, der damalige Leiter des Historischen Vereins der Pfalz e.V. Dr. Roller 4. v. links, der Bürgermeister Herbert Maurer und der geschäftsführende Beamte Volker Schläfer, beide in Mutterstadt, 3. bzw. 1. von rechts. Der Chef-Historiker Dr. Roller bezeichnet das Museum in seiner Konzeption als ein "Juwel, gelungenes Werk, als Perle besonderer Art". [000]

Das Palatinum, eine kombinierte Sport- und Festhalle, fertiggestellt 1999. Im Vordergrund ein Kunstwerk, welches in drei Motiven die Geschichte von Mutterstadt symbolisiert. Die Büste symbolisiert den römischen Ursprung unserer Gemeinde, die durch die Flachs-Hechel laufende Frau, den weiblichen Teil der Bevölkerung, die Torkonstruktion mit männlichem Torso den industriebezogenen Standort der Gemeinde und den männlichen Teil der Bevölkerung.

Niemand hat in der neueren Geschichte vielen seiner ehemaligen Mitbürgern nachhaltiger geholfen und u.a. vor Gefängnis bewahrt als der US-Soldat Ernest Loeb 1945. Von der US-Siegermacht beauftragt, Mutterstadter NS-Aktivisten dank seiner lokalen Detailkenntnis zu nennen, lehnte er dies ab und ließ sich versetzen. Die Entnazifizierung im Ort lief somit für die Nationalsozialisten bürokratisch und damit glimpflich ab. [000]

Ernst Bohlig um 1880. Damals stärkster Mann der Welt, Mitbegründer der Turn- und Sportgemeinde, USA-Auswanderer, 1875, und USA-Rückkehrer, angesehener Apotheker, Unterstützer der Armen im Ort, war befreundet mit der jüdischen Familie Isaak Loeb. Der Enkel Ernest Loeb schreibt dazu: " Herr Bohlig hatte oft Mittagessen mit uns." Ernst Bohlig wurde mir immer als bedeutender Mann geschildert." [000]

Das Werbe-Logo von Mutterstadt. [000]

Die "Besucher" dieser Internet-Dokumentation werden sicherlich auch einiges über die Geschichte dieses zwischen Rhein und Wein gelegenen Ortes Mutterstadt erfahren wollen.

In dem Großdorf Mutterstadt, in der vorderpfälzischen Rheinebene, sind nur wenige bauliche Zeugen der Vergangenheit erhalten. Deshalb soll in dieser Kurz-Chronik ein Überblick über die Gemeinde gegeben werden, denn in der Erforschung und Präsentation der Geschichte zeigt sich die Achtung vor den Leistungen in der Vergangenheit; in dem Bemühen, den Bürgern beste Lebensbedingungen zu schaffen, offenbart sich die Zukunft. Beides ist in unserem Mutterstadt festzustellen.

Inmitten einer seit der mittleren Steinzeit besiedelten Dünenlandschaft liegt der Ort westlich der alten Römerstraße, die von Straßburg nach Mainz führte. In der Gemarkung wurden eine Hallstattsiedlung und ein frührömischer Militärstützpunkt entdeckt.

Der Eintrag im Lorscher Codex über eine Landschenkung im Jahr 767 in "Mutherstather marca" ist die erste urkundliche Erwähnung des Ortes. Das fruchtbare Ackerland war wichtiges Versorgungsgebiet für die Reichsfeste Trifels. Ein Herrenhof des Klosters Weißenburg weisen neben einem königlichen Hubhof und 17 Hofgütern geistlicher Besitzer auf ausgedehntes, fränkisches Königsgut hin. Die Stuhlbruderschaft am Dom zu Speyer hatte hier ihren ertragreichsten weltlichen Besitz. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Dorf zerstört und entvölkert. 100 Jahre später konnte die große Saalkirche von dem Architekten F. W. Raballiati an den aus dem 16. Jahrhundert stammenden Kirchturm wieder angebaut werden.

1797 wurde Mutterstadt französisch. Der Ort gehörte innerhalb des Departements Donnersberg zum Distrikt Speyer und wurde Kantonshauptort mit Notariat und Zollstation für weitere 17 Orte, darunter die damaligen Dörfer um die Rheinschanze, aus der sich das heutige Ludwigshafen entwickelte. Der Ort konnte leider die sich aus dieser Position ergebenden Vorteile als wichtiger Verwaltungssitz in der Vorderpfalz in den Folgejahren nicht nutzen. Einziges bauliches Zeugnis für diese Zeit ist das ehemalige Kantonsgefängnis im früheren "Arrestegässel". In der "nachnapoleonischen Zeit" kam Mutterstadt 1816 dann zu Bayern.

Nach 1830 bot sich Mutterstadt beim Bau der Ludwigsbahn noch einmal die Chance für eine andere Entwicklung; allein es fehlte im Ort der Weitblick, welche wirtschaftliche Zukunft sich hier mit der Eisenbahn aufgetan hätte. Die ursprüngliche Planung sah nämlich eine Streckenführung am südlichen Ortsrand vor. Mutterstadt begnügte sich mit einem Bahnhof am äußersten südlichen Gemarkungsrand, am Limburger Hof. So hatte der Ort wohl einen Bahnhof, der auf Grund des Personen- und Güterumschlages sogar als Hauptbahnhof geführt wurde, der aber niemals richtig der Bahnhof Mutterstadts war. Die Lokalbahn, die auf Schmalspurschienen ab 1890 durch den Ort lief, war dafür kein echter Ersatz und wurde, auch wegen der aufkommenden Motorisierung, 1955 stillgelegt.

Verwaltungsmäßig vergleichbare Bedeutung mit dem Kantonssitz in Mutterstadt hatte der Ort nochmals nach 1945, als das Landratsamt Ludwigshafen für vier Jahre seinen Amtssitz in Mutterstadt nahm.

Heute ist Mutterstadt eine verbandsfreie Gemeinde im Landkreis Ludwigshafen mit 13 000 Einwohnern. Das früher von der Landwirtschaft geprägte Dorf konnte in den letzten 40 Jahren in eine neue Funktion als großstadtnahe Wohnsiedlungsgemeinde mit eigener gewerblicher, kultureller und landwirtschaftlicher Substanz hineinwachsen und weist einen beachtlichen Wohn- und Freizeitwert auf. Weithin sichtbares Wahrzeichen Mutterstadts ist sein 53 Meter hoher Wasserturm.

Die Gemeinde wurde 1965 bekannt durch eine beispielhafte Strukturverbesserung im Rahmen einer Flurzusammenlegung mit Gruppenaussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe. Die besonders günstigen klimatischen Bedingungen bieten der örtlichen Landwirtschaft mit dem Anbau von Sonderkulturen die Möglichkeit einer intensiven Bodennutzung. Der Wasserberegnungsverband Mutterstadt trägt dazu wesentlich bei. Im Mutterstadter Pfalzmarkt, dem größten genossenschaftlichen Gemüsegroßmarkt der Bundesrepublik, können die Landwirte und Gemüsegärtner der Vorderpfalz ihre Produkte vermarkten.

In Mutterstadt sind die "kulturtreibenden Vereine" ein fester Bestandteil des öffentlichen Lebens. Die Gesang- und Musikvereine tragen hier mit ihren Vereinsaktivitäten, Konzerten und Auftritten maßgeblich dazu bei. Das örtliche Bildungs- und Freizeitangebot ist vielfältig; Kindertagesstätten, Haus des Kindes, Grundschulen, Integrierte Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe, Jugendtreff, Bibliothek, Volkshochschule, die kirchlichen Einrichtungen und ein Pflegeheim mit betreutem Wohnen sind für die Aus- und Fortbildung, für die Freizeitgestaltung, für Gruppenarbeit und für ein angenehmes Leben vorhanden.

Auch im Sport hat die Gemeinde einen Namen; auf die Erfolge der Gewichtheber wird man überall immer wieder angesprochen. Mutterstadter Sportler sind aktuell aber auch mit Kegeln, Rasenkraftsport und Tanzen in der Bundesliga vertreten. Drei Großsporthallen, der Sportpark für Fußball, Leichtathletik und Freizeitsport, das Kegel-Center sowie das Gewichthebezentrum aktivieren das sportliche Leben. Das Mutterstadter Hallen- und Freibad wurde modernisiert und in das Spaß- und Erholungsbad "Aquabella" mit großzügiger Saunalandschaft umgebaut.

In der Walderholungsstätte wird "Urlaub ohne Koffer" für Schulkinder und für Senioren angeboten, die "Waldfeste" sind weithin zu einem festen Veranstaltungsbegriff geworden und der Gemeindewald verfügt über viele schöne Wanderwege und Ruheplätze. Über 60 Vereine und Organisationen bieten vielfältige Möglichkeiten für Hobby und Geselligkeit. In Mutterstadt vergeht kein Wochenende ohne Veranstaltungen. Und wenn es darauf ankommt, helfen auch alle mit. Die Mutterstadter Kerwe ist der beste Beweis für den Gemeinschaftssinn der Gemeinde.

Bei einem leistungsstarken und attraktiven Einzelhandel im Ort und dem Gewerbegebiet An der Fohlenweide kann man günstig einkaufen; der Öffentliche Personennahverkehr und die Autobahnanschlüsse A 61 und A 65 sorgen für gute Verbindungen.

Im Historischen Rathaus, dem Museum für Ortsgeschichte, ist die Ortsgeschichte in Bildern, Grafiken, Karten und schriftlichen Erläuterungen dokumentiert. Sie wird in den Abteilungen Baugeschichte, Handwerk und Landwirtschaft, Vereinsgeschichte, Familienforschung, religiöse Gemeinschaften, Brauchtum sowie Vor- und Frühgeschichte dargestellt. Das Zeitpfeildisplay, eine 60 cm breite hinterleuchtete Tafel, zeigt auf 25 Metern in drei Horizontalbändern synchron die Ereignisse der Welt-, Regional- und Ortsgeschichte in Text und Bild. Dazu kommt ein "Römerraum" sowie ein Ausstellungs- und Vortragsraum. Mit dem 1998 fertiggestellten Palatinum, dem Gemeindezentrum für Veranstaltungen, Kultur und Gastronomie, verfügt die Gemeinde auch über beste Möglichkeiten für Tagungen und Veranstaltungen. Die moderne, freundliche Architektur mit einem variabel nutzbaren Raumprogramm für bis zu 800 Personen hat ein Ambiente geschaffen, das aktive Aufnahmefähigkeit bei Tagungen und Veranstaltungen ebenso fördert wie wohltuenden Kunstgenuss bei Konzerten und Theateraufführungen.

Das Mutterstadter Wappen: In Blau ein schrägliegender, mit dem abwärts gewendeten Bart nach oben gekehrter silberner Schlüssel.

Autor: Volker Schläfer, Jahrgang 1942, ist geschäftsführender Beamter der Gemeinde Mutterstadt. Er nutzt u.a. Wissen aus dem Gemeindearchiv, um dieses zu publizieren. Schläfer ist Gründungsmitglied des Historischen Vereins der Pfalz e.V., Ortsgruppe Mutterstadt und der 2 Bürgeraktionen mit deren Ziel, den 1940 deportierten Mutterstadtern jüdischer Herkunft wieder einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte zu geben.

Quelle: Siehe Quellenverzeichnis Titel 9 (Nr. 000)
Fotos und Sonstiges, sowie die dazugehörenden Texte, die Autoren-Kurzbiografie, sowie die Multiple-Choice-Fragen wurden durch den Herausgeber zusammengestellt.

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- Mehrere Antworten können richtig sein -

Wann wurde das ehemalige Rathaus und heutige Museum für Ortsgeschichte erbaut?

 
1350
 
1738
 
1850

 

Der Historische Verein der Pfalz e.V. Ortsgruppe Mutterstadt ist ein Verein unter vielen. Wie viele Vereine gibt es in Mutterstadt?

 
10
 
über 60
 
120

 

Ernst Bohlig ist der berühmteste und angesehenste Mann von Mutterstadt. Warum war er mit der jüdischen Familie Loeb befreundet?

 
weil die Familie Loeb ebenfalls angesehen war.
 
weil man Freundschaften ohne Ansehen der Religionen pflegte.
 
weil weitgereiste Menschen, wie Ernst Bohlig, auf Freundschaften angewiesen sind und diese weitergeben.