2.5.5 2. Hälfte 13. Jh. vor Chr.: Synagogenbildmotiv „Moses und die zehn Gebote am Berg Horeb“. Vom Hebräergott El zum Jahwe-Gott der Israeliten. Der Einfluss des Monotheismus des Pharaos Echnaton.

Eines der sieben Synagogenfenster mit je vier ständig wechselnden Bildern, aus sieben verschiedenen Motiven.

Rekonstruktion durch Micheal Kunz nach Skizzen von Werner Dellheim, Ocalla, Florida.,USA, 2003 Moses präsentiert am Berg Horeb auf der Sinai-Halbinsel den Israeliten die zehn Gebote Gottes. Moses, Stifter der ausschließlich für die Israeliten bestimmten Jahwe-Religion, fügt in seiner Kernaussage dem bisherigen Patriarchenglauben die zehn Geboten, also ethische Normen hinzu. Die Aussage, dass es nur einen und dazu unsichtbaren Gott gibt, dies verbunden mit den großartigen ethischen Werten, u.a. die zehn Gebote, diese "Gesamtidee" des mosaischen Glaubens wird die schon jahrtausendealten Götzenkulte und Viel-Götter-Religionen umgebender Völker noch viele Jahrhunderte überdauern. Moses umwerfende Einsichten sind so überzeugend, dass diese im Kern von Christen und Muslimen viele Jahrhunderte später übernommen werden. Insoweit sind die religiösen Überzeugungen des Moses im Jahre 2005 ein großer Trost bei Milliarden von Menschen in ihrem täglichen Leben. Das obige Bild ist eine Replik der Glasmalerei auf einem Fenster der Mutterstadter Synagoge.

Quelle: "Welt und Umwelt der Bibel", Kath. Bibelwerk e.V. Stuttgart. Ausgabe 17/2000, Seite 34 Die zehn Gebote, Dekalog genannt, und die ethischen Normen der ägyptischen Totenapologie. Wir müssen uns Ägypten zu Moses Zeiten und Jahrhunderte davor vorstellen als funktionierenden Flächenstaat mit entsprechender Kommunikationsstruktur. Die unter den Ägyptern lebenden Hebräer waren nicht isoliert! Obige Gegenüberstellung der ägyptischen und der 80-100 Jahre später durch Moses ausgearbeiteten zehn Gebote sind insoweit Ausdruck eines gleichrangigen religiösen Denkschemas beider Bevölkerungsgruppen Ägyptens. Vor Echnaton gab es sehr große Unterschiede in der Religionsauffassung: Während die Ägypter einer von Priestern und dem Pharao als Mittler getragenen Vielgöttereligion anhingen, blieben die Hebräer bereits seit 500 Jahren, seit Abrahams Zeiten, ihrem einzigen und unsichtbaren Gott El treu.

Echnaton, li., und Nofretete als liebendes Ehepaar mit ihren Kindern. Gott Aton = die Sonne, ist der einzige Gott des Religionsstifters Echnaton. Echnatons Familie und sein Hofstaat errichten fern von Luxor und Theben, Zentrum der entmachteten Priesterschaft der alten Vielgötterreligion des Amun, eine dem neuen und einzigen Gott –die Sonne- geweihte Hauptstadt Achet-Aton. Nach Echnatons Tod 1354 vor Chr. kehren die Ägypter unter ihren Priestern zum alten Vielgötterglauben zurück.

Der Israelitenauszug aus Ägypten in einer künstlerischen Darstellung. Eine unter mehreren von der Wissenschaft angenommenen Routen ist u.a. der Weg eines noch im Bereich des Nildelta gelegenen Sees, welcher wegen eines starken, das Wasser zunächst verdrängenden Sturmes für die Israeliten passierbar, für die späteren Verfolger beim Zurückfließen des Wassers zur Todesfalle wird, als der Wind sich legte und das Wasser wieder anstieg. Dieses "Meerwunder" trägt entscheidend dazu bei, Moses zum unumstrittenen Führer seines Volkes zu machen.

Der wohl berühmteste Kopf der Antike. Die in Berlin ausgestellte Büste der Königin Nophretete mit Originalbemalung.

1. Gründe der Motivwahl auf dem Mutterstadter Synagogenfenster = 2. Fenster, links, Nordseite "Moses und die zehn Gebote".

Wenn man sich vor Augen hält, dass die jüdische Religion mit den zehn Geboten eine die Welt bewegende Idee ist, kommt man zu einer weiteren Erkenntnis: Ohne die ethischen Normen des Pentateuchs, den fünf Büchern Moses, kann ein jüdischer Mensch -im religiösen Sinne- nicht leben. Ein religiöser Jude liebt die Thora vergleichbar, wie man einen Menschen liebt.

Das feierliche Herumtragen der Thora in der Synagoge, die Scheu, die Schrift auf der Thora mit den Fingern zu berühren, ist immer eine Haltung des Respektes des Inhaltes den der Thorarollen gegenüber, dem zentralen Kultgegenstand im jüdischen Glauben. Der Respekt vor den Thorarollen drückt sich auch dadurch aus, dass diese zum Schutz stets in einem prachtvoll gestalteten, kunstvoll bestickten Thoramantel gehüllt sind. Man schmückt die Thorarollen auch mit einem handwerklich schön gearbeiteten metallenen Schild, dem Thoraschild.

Die Thorarollen -in Mutterstadt gab es zehn Thorarollen- werden in Synagogen und auch in den Betstuben entweder in einer hölzernen Lade, einem handwerklich schön gestalteten Schrank oder wie in Mutterstadt in einer, in die östliche Außenwand der Synagoge eingeformten Nische aufbewahrt. Dass sich die Mutterstadter Auftraggeber vom Künstler gleich zwei Bildmotive des ihre Religion stiftenden Moses wünschten, ist bei der Wichtigkeit dieser Persönlichkeit verständlich.

2. Zur Person Moses nach der Verkündung der zehn Gebote am Berg Horeb im Sinai.

Nach dem gelungenen Exodus aus Ägypten und in seinem Leben zum 2. Male am Berg Horeb eintreffend, lebt -so sagt die Legende- Moses noch über 40 Jahre. Um die Mosesgeschichte zu Ende zu bringen: Nach der Verkündigung der zehn Gebote am Berge Horeb im Sinai setzen die nomadisierenden Israeliten ihren Weg durch die Sinai Halbwüste fort. Sie ziehen irgendwann östlich des Jordans, also ohne das dahinterliegende Land der Kanaanäer zu berühren, und außerhalb des Machtbereichs der Pharaonen durch das Siedlungsgebiet der Ammoniter, östlich des Jordantales, nach Norden.

Dort, also vom östlichen Gebirge des Jordantals aus, kann Moses das schon dem Patriarchen Abraham versprochene Land Kanaan von Ferne, im Westen liegend sehen. Moses, der Vollstrecker göttlicher Offenbarung liegt der Sage nach am Fuße des Gebirges begraben.

3. Die Wandlung der Patriarchenreligion des Abrahams zum Jahwe-Glauben des Mose

Wir begeben uns nochmals in die 1. Hälfte des 2. Jahrtausends vor Chr. zurück: Abraham und sein Clan ziehen mit ihren Viehherden vom chaldäischen Ur im heutigen Südirak kommend über Harran im heutigen Nordwestirak auf einer über 2400 km langen Wanderung via Kanaan dem heutigen Israel / Palästina in das nordöstliche Ägypten und zurück nach Kanaan, um dort zu bleiben. Das Buch Genesis -übrigens Jahrhunderte später zu Papier gebracht und damit subjektiv argumentierend- gebraucht den Begriff EL als Name des von Abraham verehrten Gottes, ein Familiensippengott, der, in abgewandelter Form, auch von den die Israeliten umgebenden Völkerschaften beispielsweise der Urbevölkerung von Kanaan sowie auch im Zweistromland dem Ursprungsland Abrahams angebetet wurde (Gen.14,22). EL SCHADDAI oder EL OELJON, die kanaanitische Version, war der höchste Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde. Das zentrale Heiligtum der Kanaanäer für diese Gottheit lag in Salem, dem späteren Jerusalem des König Davids.

Im Falle der Hebräer hatte man also als Kern des religiösen Verständnisses die Vorstellung, dass man es mit einem persönlichen, einem einzigen und unsichtbaren Gott zu tun hatte, dem man treu sein musste in guten wie in schlechten Tagen. Dies um im Gegenzug von diesem behütet, verteidigt, bewacht, versorgt zu werden und um Wohltaten zu erhalten.

Vergleichbar mit der Religionsauffassung aller benachbarten westsemitischen Völker wurden Tier- und Weihrauchopfer an bestimmten, im Regelfall auf Bergeshöhen liegenden Kultstätten, den Höhenheiligtümern, auf einem Altar erbracht.

Eine organisierte Priesterschaft gab es nicht. Ansonsten richtete sich die monotheistische Patriarchenreligion der bronzezeitlichen Hebräer an ihren Gott, nicht zuletzt auch deshalb um ihrer Vorfahren zu gedenken. "Gottes auserwähltes Volk" behielt diese unter Abraham schon gültige Gottesvorstellung in dieser Form noch ca. 600 Jahre bei, bis Moses, der Erneuerer und Stifter des Jahwe-Glaubens, auf die Bühne weltgeschichtlicher Bedeutung tritt.

Festzuhalten ist, dass der hebräische Gott El, nach dem Buch Genesis mit der polytheistischen Gottesvorstellung der umgebenden Völker, die El als Obergott eines Götterpantheons verehrten, nichts zu tun hatte. Trotzdem ist der Patriarchenglaube nicht identisch mit dem späteren Monotheismus der Jahwe-Religion Denn:"…Ich habe mich Abraham, Isaak und Jakob als El Schaddai offenbart, als Jahwe kannten sie mich nicht…" ( Ex. 6,3 )

4. Der Monotheismus des Echnaton, die Ethikgesetze der ägyptischen Viel-Götter-Religion und deren -vermutete- Einwirkungen auf Moses.

Hatte man im Frühstadium aller Kulturen, auch im "Alten Reich" der Ägypter, noch Primitivgötter, zum Beispiel Naturmerkwürdigkeiten oder das Herdfeuer angebetet, vielleicht auch einem Ahnenkult angehangen, entstand u.a. auch am Nil über Jahrtausende und parallel zum wachsenden intellektuellen Erfahrungswissen der Menschheit eine immer anspruchsvollere Religionsauffassung. In Ägypten erreicht die Viel-Götter-Hochreligion des Amun ihren Höhepunkt.

Um 1350 vor Chr. -unsere Hebräer lebten seit ihrem Einzug in Ägypten unter Patriarch Jakob und seinen zwölf Söhnen bereits seit etwa 300 Jahren im nordostägyptischen Niltal- brach der Priesterkönig und Pharao Amenophis IV., Echnaton genannt, alle Brücken zu dem von einer einflussreichen, feudal lebenden äußerst reichen, keine Steuern zahlenden Priesterschaft getragenen Vielgötterglaube unter "Vorsitz" des Reichs Gottes Amun ab. Er kreierte die monotheistische, die Ein-Gott-Religion des Aton, mit der Sonnenscheibe als gegenständliche, aber einzige Gottheit als Zentrum der Verehrung. Sich als einzigen Vermittler einsetzend, eine ethisch hochstehende Totenapologie sowie das Prinzip der Wahrheit und Gerechtigkeit, Maat genannt, ist der Kern der neuen Religion.

Diese Totenapologie und das damit verbundene Totengericht überprüft im damaligen ägyptischen Glauben, ob der Verstorbene nach den Religionsgeboten gelebt hat. Und siehe da: Wenn wir die etwa 100 Jh. später von Moses verkündeten zehn Gebote des Alten Testaments und die ägyptische Totenapologie gegenüberstellen, finden wir nur zwei Gebote, zu denen sich bei der ägyptischen Echnatonreligion keine Entsprechung findet: Das 2. Gebot, sich kein Bild von Gott zu machen, sowie das 3. Gebot, den Sabbat zu heiligen. Das Bilderverbot in Synagogen, welches die Mutterstadter übrigens als einzige in Westeuropa bekannte Kultusgemeinde 1904 in ihrer Synagoge durchbrechen, geht auf das besagte 2. Gebot zurück.

Man könnte vielleicht auch sagen: Moses nimmt den für die weitere Entwicklung der Menschheit so entscheidenden altorientalischen Wissens- und Erkenntnisschatz u.a. die monotheistische Patriarchenreligion des Abrahams und das Wissen der ägyptischen, ethisch hochstehenden Religion des Echnaton bei seinem Auszug aus Ägypten, hin zum Berg Horeb im Sinai in Gedanken mit. Moses wird seine Religion, dessen Kern der unsichtbare, eine Gott sowie die ethischen Normen der zehn Gebote ist, am Berg Horeb verkünden. Er wird seinen Israeliten -und nur für diese gedacht- eine Religion präsentieren, die Weltgeltung erlangen wird. Eine Weltgeltung erreicht die Jahwe-Religion u.a. deshalb, weil 1200 Jahre später ein auf Reformen und soziale Erneuerung drängender jüdischer Rabbi, Jesus, Teile seines Volkes, jetzt Juden genannt, mit seinen Vorstellungen der Nächstenliebe erreicht. Er stellt Weichen für den Kirchenvater der Christen, Paulus, aber auch für den Propheten Mohammed und der Religionsauffassung des Islams.

Man kann aber diese Geschehnisse um Echnaton und die Ägypter, einschließlich der Hebräer, vielleicht auch so beschreiben: Letztere haben seit Hunderten von Jahren als einziges Volk den "EL-Monotheismus" der Patriarchen mit einem nichtgegenständlichen Gott entwickelt. Die Ägypter schaffen in ihrer Hochreligion die Ethikgesetze, die Totenapologie. Beide Völker lebten u.a. in Nordostägypten 400 Jahre lang eng zusammen. Man kannte sich, man hatte voneinander gelernt.

5. Auswirkungen des Jahwe-Glauben auf die Judenchristen und die Christen unter Paulus

Die Jahwe-Religion des Moses mit seinen zehn Geboten hat aus der Sicht der Christen eine Steigerung. Jesus, 1200 Jahre nach Moses in der damaligen römischen Provinz Palästina lebend, wird mit einer wesentlich zahlreicheren Bevölkerung, vielschichtigeren Lebenssituationen der Menschen und vielen sozialen Verlierern seines Volkes, dies in einer "Auge-um-Auge, Zahn-um-Zahn-Gesellschaft" konfrontiert. Jesus setzt dieser Situation eine auch von seinen Anhängern zentral geforderten Haltung entgegen: Nächstenliebe den Mitmenschen gegenüber. Eine weitere revolutionäre Änderung, diesmal durchgeführt vom Kirchenvater Paulus, erfolgt bei der Verbreitung des Glaubens der Judenchristen: Die Heilsaussage wird allen, gleich welcher sozialer Schichten oder Rassen diese Menschen angehören, zugänglich gemacht. Dies konträr zur Jahwe-Religion. Wie auch immer: Ohne den Religionsstifter Moses und seine u.a. auch durch Ägypten geprägte religiöse Gedankenwelt gäbe es die Religionsstifter Jesus und Mohammed nicht. Es gäbe keine Christen und keine Muslime.

6. Eine geschichtliche Szenenbeschreibung

Fassen wir zusammen: Die 200 Jahre dauernde Patriarchenzeit ab Abraham, in der das Nationalepos der Juden wurzelt, 1850-1650 vor Chr., wird durch einen ca. 400 Jahre dauernden Aufenthalt der Hebräer in Nordostägypten ergänzt. Man schreibt also das Jahr um 1250 vor Chr., als Moses einen Teil der Israeliten mit einer anschließenden 40-jährigen Wüstenwanderung aus Ägypten herausführt, um später in das östliche Randgebirge des Jordantals im heutigen Jordanien zu kommen. Während in Ägypten, dem Gastland der Hebräer, die Pharaonen Ramses II. und Mernephtah über ein Volk von drei Millionen Menschen herrschten, die Eisenwaffen besitzenden Seevölker, u.a. die aus Richtung des heutigen Griechenland kommenden Philister sich in der Küstenregion am Mittelmeer in Gaza niederließen, ziehen die Israeliten über vier Jahrzehnte nomadisierend durch die Sinai-Halbinsel. Kanaan, das Jordantal und auch das nördlich davon gelegene Syrien mit seinen Stadtstaaten und Kleinkönigreichen liegen im Herrschaftsbereich der Pharaonen.

Über die nördliche ägyptische Landesgrenze hinaus, etwas der heutigen Grenze zu Syrien entsprechend, beginnt das Großreich der Hethiter. Der Machtkampf zwischen diesem Volk und Ägypten mündet 1286 vor Chr. in die Schlacht von Kadesch, die die Hethiter verlieren. Ägypten kann also seine lockere Oberherrschaft über die zuvor genannten Nordprovinzen, einschließlich Kanaan, dem "Gelobten Land" der Hebräer, verteidigen. Das im Osten des nördlichen ägyptischen Vasallenstaat, dem heutigen Syrien, im Zweistromland gelegene Assyrien ein potentieller Feind der Hethiter und Ägypter mischt sich nicht ein in diese kriegerischen Geschehnisse. Es wartete auf seine Chance. Ramses II. und der Hethiterkönig Hatus jedenfalls schließen 1270 vor Chr. im ägyptischen Pi-Ramesse einen Friedensvertrag, in dem Ramses II. die Grenzstadt Kadesch an die Hethiter abtritt, aber seine Nordprovinzen als Ganzes behält.

Autor: Herbert H.W. Metzger, Jahrgang 1940, unternehmerisch tätig, amtierte von 1980-1990 als Gründungsvorstand des Historischen Vereins der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt. Im Rahmen von zwei Bürgeraktionen und dieser Publikation "Die ehemalige jüdische Gemeinde und ihre Nachkommen" engagiert er sich, das Unrecht, begangen an der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Mutterstadt und der Pfalz, aufzuarbeiten und vor allem die Jugend über das Schicksal des Pfälzer und Mutterstadter jüdischen Bevölkerungsteils zu informieren.

Quellen:"Die Bibel und ihre Welt,Lybbe Verlags-GmbH, S.1003-1010. "Welt und Umwelt der Bibel", Kath Bibelwerk e.V. Stgt., Heft 4/2001, S.27-30