2.5.6 Um 1220-1050 vor Chr. Synagogen-Bildmotiv „Josuas Belagerung von Jericho“. Die Landnahme um 1220 vor Chr. Die Volksführer, Richter genannt, des Zwölfstämmebundes in Kanaan, 1200-1050 v.Chr.

Eines der 7 Synagogenfenster mit je 4 ständig wechselnden Bildern, aus 7 verschiedene Motiven.

Rekonstruktion durch Micheal Kunz nach Skizzen von Werner Dellheim, Ocalla, Florida.,USA, 2003 Josuas Belagerung von Jericho. Sie ist ein Synonym für die erfolgreiche Besiedlung des Gelobten Landes. Dies aus der Sicht des Jahrhunderte später schreibenden biblischen Autors. Jericho war, ausweislich neuester wissenschaftlicher Forschungen, zum Zeitpunkt der Landnahme nicht bewohnt. Nach einer 40 Jahre dauernden Wüstenwanderung und nachdem Moses kurz zuvor gestorben war, nahmen zielorientierte Nomaden, durch ein bis dato entbehrungsreiches Leben abgehärtet und für die Besiedlung des Gelobten Landes hoch motiviert, das von Gott versprochene Land in Besitz. Das obige Bild ist eine Replik der Glasmalerei auf einem Fenster der Mutterstadter Synagoge.

Siedlungsgebiet der 12 Stämme Israel nach der Landnahme um 1250 vor Chr.
Aus: "Die Bibel und ihre Welt", Lybbe Verlags-GmbH Die Landnahme des Zwölfstämmebundes unter Josua um 1220 vor Chr. Die Gebiete der 12 israelischen Stämme unmittelbar nach der nur teilweise militärisch abgesicherten, ansonsten durch eine Zuwanderung über 20 Jahre ziemlich friedlich verlaufenden Landnahme des kanaanitischen, bergigen Hinterlandes, des Jordantals und des östlichen Gebiete von Moab und Amon. Die Küstenebene und die nicht gestrichelten Regionen bleiben in der Hand der Philister oder der kanaanitischen Machthaber, beispielsweise Jerusalem. Nach neuesten Forschungen sollen etwa 5750 wehrfähige, israelitische Männer aller 12 Stämme aktiv geworden sein.

Nordägypten einschließlich Kanaan nach der Schlacht bei Kadesch, die Wüstenwanderung der Israeliten. Die Seerouten und Landungen der Seevölker.

Beduinen zur Zeit der Richter um 1150 vor Chr. Diese Kachelmalerei ist im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm zu sehen.

1. Gründe der Motivwahl auf dem Mutterstadter Synagogenfenster = 1.Fenster, rechts, Südseite "Josuas Belagerung von Jericho".

Zunächst: was die biblischen Quellen (Jos. 2) über die eine, in Sichtweite liegende Jordan-Furt kontrollierende Festungsstadt Jericho sagen -dies bezogen auf die Zerstörung der Stadt- mauern mit Hilfe der Schallenergie von Trompeten oder Widderhörnern, ist durch die archäologische Ausgrabungs- Wirklichkeit nicht bestätigt worden.

Auch im Falle Jericho muss man -wie bei allen biblischen Erzählungen- realisieren, dass diese Ereignisse erst viele Jahrhunderte später niedergeschrieben wurden. Der biblische Autor hat die "spektakuläre Eroberung" von Jericho auf der Basis von Volks- sagen thematisiert.

Oder: die Großartigkeit des Jericho-Sieges ist ein Synonym für die Großartigkeit der israelitischen Landnahme als solche. Ein religiös motiviertes Nomandenvolk hat das von ihrem Gott El, später Jahwe genannt das versprochene "Gelobte Land Kanaan" in Besitz genommen. Ein Volk, das in der Folge verstärkt sesshaft und wehrhafter wird und durch die Siege über die höher entwickelte kanaäitische Stadtkultur mit großem Selbstbewusstsein ausgestattet ist.

Die Israeliten haben in Kanaan, im heutigen Israel/Palästina, eine endgültige Heimat gefunden. Eine Heimat nach der sich seit ihrer Zerstreuung über das Römerreich um 137 nach Chr. weltweit viele jüdische Menschen, auch die des Jahres 1904, sehnten. Diese Sehnsucht teilten allerdings viele assimilierte Juden, beispielsweise in Mutterstadt, nicht!

Oder anders ausgedrückt: erst mit dem Auszug aus Ägypten und dem zusammenschweißenden Effekt einer 40jährigen gemeinsamen Wüstenwanderung sowie der anschließenden meinst friedvollen Besiedlung des Landes Kanaan, dem Gelobten Land, die Israeliten, durch dem Zwölfstämmebund, mit einer gemeinsamen Sprache, einem gemeinsamen Glauben und ihren Stammesverwandtschaften kann man von einem Volk im wirklichen Sinne des Wortes sprechen. Einem Volk, das ein Dauersiedlungsrecht erwirbt. Kein Wunder also, dass das Josua-Motiv auf einer der Mutterstadter Synagogen-Fenster kam.

2. Zur Person Josua, hebr.: J´osua = Jahwe = Hilfe, und seine Aufteilung des gewonnenen Landes unter die 12 israelitischen Stämme

Josua, ein zuverlässiger, im Zwölfstämmebund während der 40jährigen Wüstenwanderung angesehener Gefolgsmann Moses, vergleichbar mit dessen Bruder Aaron, hatte offensichtlich Führungsqualitäten im militärischen Sinne.

Jedenfalls übernimmt er nach dem Tod Moses die Führung der Israeliten, die sich zu diesem Zeitpunkt als halbsesshafte Nomaden in der Gebirgslandschaft von Moab, dem heutigen Jordanien, außerhalb des Herrschaftsbereich der Pharaonen aufhalten. Gut vorstellbar ist, dass Josuas Leute von dieser Wüstenregion Moab aus mit "glänzenden Augen" auf die fruchtbaren Niederungen des Jordantals samt dem See Genezareth und den Hule-See geschaut haben, Wege ausgekundschaftet und Invasionspläne geschmiedet haben.

Das Gebiet der Landnahme in Kanaan, dem heutigen Israel/Palästina, liegt zwischen Beer Sheva im Süden und dem Libanongebirge im Norden. Es erstreckt sich zwischen dem Mittelmeer-Küstengebirge –nicht die Küstenebene- im Westen sowie dem Moabgebirge östlich des Jordantales. Es schließt also das gesamte Jordantal ein. Unter Josua wird der Süden der eroberten Gebiete unter die Stämme Juda und Simeon sowie ihren, nicht dem Zwölfstämmebund angeschlossenen Verbündeten Kaleb und den Kenitern aufgeteilt. Die Stämme Manasse, Ephraim, Benjamin und Dan teilen sich die mittlere Region. In der Nordregion siedeln die Stämme Asser, Naphthali, Sebulon und Isachar, östlich des Jordans siedeln Manasse, Gad und Ruben.

Nachfolgende Volksführer, auch Richter genannt, werden die nächsten 150 Jahre Josuas Landnahme verteidigen, ohne eine eigene Staatlichkeit zu erlangen. Erst Saul um 1050 vor Chr., David und Salomon werden die Königsherrschaft und somit den 1. Staat der Israeliten errichten. Josua stirbt etwa um 1200 vor Chr. Weitere genauere familiäre Umstände sind über Josua nicht bekannt.

3. Eine geschichtliche Szenebeschreibung der Spätbronzezeit 1250 – 1225 vor Chr.: Die Landnahme des Zwölfstämmebundes

Folgt man der Bibel, kann man davon ausgehen, dass die im Buch Josua beschriebene Landnahme Kanaans, das "Gelobte Land", unter der Führung von Josua in einer relativ kurzen militärischen Kampagne eingenommen wurde. Aus dem Buch Numeri 1,1-54 und 26,1-51 sollen 603.550 Männer, nach neuesten Forschungsergebnisse 5750, wehrfähige Männer aller 12 Stämme in das Land der Kanaaniter einmarschiert sein. Nicht auf Dauer erobert wurde dabei die Küstenregion der Philister um Gaza und u.a. Sichem und das kanaanitisch-jebusitische Salem, später das israelitische Jerusalem im Landesinnern. Zerstört wurden die Städte Ai und vor allem -wenn man sich nach der Bibel richtet- Jericho, die Stadt, um die es auch in unserem Fenstermotiv geht.

4. Die -nicht stattgefundene- Schlacht um Jericho

Jericho, die 10 km nordwestlich der Jordaneinmündung in das Tote Meer gelegene Oasenstadt, in der Mittelsteinzeit ca. 8000 vor Chr. gegründet, mit Süßwasser-Quellen ausgestattet und vom Salz- und Asphalthandel, gewonnen aus dem Toten Meer, lebend, gilt als die älteste Stadt der Welt, älter als die ersten Ansiedlungen in Mesopotamien oder am ägyptischen Nil. Sie ist auch die älteste in Palästina bekannte Festungsstadt, deren 13m hohen Lehmmauern auch durch -regenbedingte- Erosion und militärische Zerstörung 17 mal erneuert werden musste.

Erst in der Mittelbronze-Zeit wurden Steinmauern errichtet, sodass die Materialwahl im Bildmotiv der Mutterstadter Synagogenfensters durchaus seine Richtigkeit hat. Diese Mauer jedoch war, und das haben neuere Ausgrabungen wissenschaftlich erwiesen, bei Josuas Ankunft zerstört. Die Stadt Jericho selbst war und blieb noch weitere 300 Jahre nach Josua unbewohnt.

Bei der Verteilung des Landes Kanaan wurde die Jericho-Region dem Stamme Benjamin zugewiesen (Jos. 18,21). Neuere Forschungen haben jedoch mit sehr großer Wahrscheinlichkeit ergeben, dass Josuas Hebräer, jetzt Israeliten genannt, oberhalb der Jordaneinmündung in das Tote Meer, auf sesshafte Hebräer stießen, die den Auszug nach Ägypten zur Zeit des Patriarchen Jakob ca. 470 Jahre zuvor gar nicht mitvollzogen hatten. Sesshafte Hebräer in Kananan und die nomadisierenden, 40 Jahre zuvor noch in Ägypten versklavten 12 Stämme der Israeliten siedeln sich, über 2 Jahrzehnte verteilt, in den meist menschenleeren gebirgigeren Regionen von Kanaan an.

Man ließ dabei die kanaanitischen Stadtstaaten mit teilweise hebräischen Mitbewohnern zunächst "links liegen", um diese zu einem späteren Zeitpunkt zu bezwingen oder kampflos zu übernehmen. Der attraktive monotheistische Jahwe-Glauben wird dabei nicht wenige Familien der kanaanitischen Urbevölkerung, nicht so sehr deren Adel, veranlasst haben, zu dieser Religion und zum Hebräertum überzutreten. Es hat also kein radikales Verdrängen der Kanaanäer durch Kriegseinwirkung gegeben, vielmehr könnte es sein, dass die Urbevölkerung die Gunst der Stunde nutzend, sich mit den anrückenden Israeliten -dem Zwölfstämmebund- zusammentaten, um ihre ausbeuterische, feudale Herrscherschicht loszuwerden.

Was auch gewesen sei: irgendwann im 1200 vor Chr. wird der Zwölfstämmebund und die in diesem Bund aufgenommene Urbevölkerung die Landnahme abgeschlossen haben, u.a. mit der Stadt Sichem als Standort der Heiligen Bundeslade mit den 10 Geboten als Inhalt. Etwa 1200 Jahre nach Josua wird Jesus von Nazareth von Johannes dem Täufer bei Jericho, zwischenzeitlich wieder eine blühende Handelsstadt, getauft. Um 75 nach Chr., zu diesem Zeitpunkt und im Zusammenhang mit dem jüdischen Krieg 66-73 nach Chr. bereits vom römischen Kaiser Vespasian erobert, wird Jericho als Militärgarnison verwendet und vom römischen Kaiser Hadrian um 140 nach Chr. wieder aufgebaut. Jericho ist bis heute, anfangs des 21 Jahrhunderts, eine wichtige arabische Stadt im palästinensischen Autonomiegebiet.

5. Sichem, religiöser und politischer Mittelpunkt des Zwölfstämmebundes nach der Landnahme um 1200 vor Chr.. Stadt der Erneuerung des "Bundes mit Gott Jahwe"

Der Bibel nach baute bereits Abraham ca. 650 Jahre zuvor hier in Sichem einen Altar, wobei die Stadt zwischen 1220 und 1550 vor Chr. auch ein Mittelpunkt der Kanaanäer war. In dieser Stadt lebten mit durchaus anderen Lebensgewohnheiten auch die in Kanaan gebliebenen und nicht nach Ägypten ausgewanderten Hebräer. Jedenfalls zieht Josua nach der "Jericho-Kampagne" von dort nach Sichem und übernimmt die Stadt kampflos. Es ist ihm dort möglich, die Erneuerung des Bundes mit Gott Jahwe zu zelebrieren ( Jos. 24 ). Er bringt die Stadt friedlich unter israelitischen Einfluss. Alle Bevölkerungsteile kollaborieren mit den Israeliten. Die Stadt Sichem wird bis König Davids Zeiten, ca. 180 Jahre später, und bis dieser Jerusalem von den Kanaanäern erobert, eine wichtige Rolle in Religion und Organisation der Israeliten dabei spielen. David erwirbt die Stadt zu seinem persönliche Besitz und macht Jerusalem zur Hauptstadt des Staates Israel. Ende des 10. Jh. vor Chr. -das Reich Sauls, Davids und Salomons wird in die Staaten Juda im Süden und Israel im Norden aufgeteilt- macht der 1. König Jerobeam des nachfolgenden souveränen Königreiches Israel Sichem zu seiner Hauptstadt.

6. Eine -überregionale- geschichtliche Szenenbeschreibung der politischen Situation um 1220 bis 1050 vor Chr.

Während mit der Landnahme unter Josua und -nach dessen Tod- in der sich anschließenden Zeit der Volksführer, Richter genannt, großartige Umwälzungen im Leben des Volkes Israels stattfinden, wird diese Szenerie u.a. von den damals real die Weltgeschichte und die Geschichte Kanaans bestimmenden Pharaonen Mernephtah 1224-1204 vor Chr. und Ramses III. 1198-1166 vor Chr. als unbedeutende Ereignisse kaum registriert. Kanaan, über das die Pharaonen immer noch die Oberhoheit ausüben, lebt ziemlich unabhängig von diesen. Der bedeutende Pharao Ramses III. hatte nach der Landnahme und Josuas Tod, also in der Zeit der Richter, sich gegen die aus dem heutigen Griechenland und Kreta über das Mittelmeer kommenden, die Ägypter angreifenden Seevölker -erfolgreich- zu wehren. Die Pharaonen können aber nicht verhindern, dass sich beispielsweise die Philister um die Region um Gaza am Mittelmeer, im Hoheitsgebiet der Pharaonen, festsetzen.

Die 20. Dynastie, der Ramses III. angehört, besteht noch ca. 80 Jahre, endet aber um 1100 vor Chr. in Wirren und im Verfall. Ägypten wird in Kleinkönigtümer aufgeteilt. Diese Schwächung der Weltmacht bedeutete gleichzeitig die Chance der Israeliten unter ihren Königen Saul, David und Salomon, ein eigenes souveränes Königreich zu errichten, das u.a. das Kleinkönigreich der Philister um Gaza an der Mittelmeerküste herum annektiert.

Autor: Herbert H.W. Metzger, Jahrgang 1940, unternehmerisch tätig, amtierte von 1980-1990 als Gründungsvorstand des Historischen Vereins der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt. Im Rahmen von zwei Bürgeraktionen und dieser Publikation "Die ehemalige jüdische Gemeinde und ihre Nachkommen" engagiert er sich, das Unrecht, begangen an der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Mutterstadt und der Pfalz, aufzuarbeiten und vor allem die Jugend über das Schicksal des Pfälzer und Mutterstadter jüdischen Bevölkerungsteils zu informieren.

Quellen: "Die Bibel und ihre Welt", Lybbe Verlags-GmbH, Seite 813-817 u. S. 913-923 sowie dem magazin "Geschichte", historiogra-phisches Institut GmbH, Essen, Heft 81, 1988, S. 38-45