3.1.6 Heinz Eppler, Gründer eines börsennotierten US-Damenoberbekleidungskonzerns
- Ex-Präsident der weltweit agierenden jüdischen Wohlfahrtsorganisation Jewish Joint Distribution Committee (JDC), New York -

Heinz Eppler mit Sonnenbrille neben dem Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz Kurt Beck, seine neben ihm stehende Frau Ruthe und ihre Enkelkinder haben 1998 während eines Aufenthaltes in Epplers Geburtsort Mutterstadt nicht erwartet, auf eine sie überwältigende Gastfreundschaft zu stoßen. 60 Jahre zuvor 1938 durch Emigration in die USA dem Holocaust entkommen, bauten seine Eltern dort eine neue Existenz auf. Sie ermöglichten ihren Söhnen Kurt und Heinz letztlich eine berufliche Karriere, die Heinz Anfang der 1980er Jahre mit dem Verkauf seiner an der New Yorker Börse notierten Firma beendete. [000]

Das Foto zeigt das Ehepaar Eppler und ihre vier Enkelkinder in der vorbildlich restaurierten, heute als Museum genutzten Synagoge in Fußgönheim bei Mannheim. Heinz, als 11-jähriger nach Cleveland, USA, gekommen durchlief die dortige Volksschule, ging zur US-Handelsmarine, diente in der US-Army und arbeitete schließlich als Angestellter in einem Handelsgeschäft. Selbständig machte er sich mit einer zuletzt an der New Yorker Börse notierten Filialunternehmung für Damen-Oberbekleidung mit zuletzt 420 Standorten in den USA. [000]


Die durch den Verkauf seiner Firma erlangte finanzielle Unabhängigkeit setzt Eppler u.a. für die Unterstützung osteuropäischer Juden ein. Dies im Rahmen der Präsidentschaft des Jewish Joint Distribution Committee (Joint), einer Wohlfahrtsorganisation, 1984-88. Nach dem Rückzug ins Private bringt er im Rahmen einer Europareise seine Familie 1998 in seinen Geburtsort Mutterstadt, wo er herzlich empfangen wird. Als Ehrenpräsident in den Joint berufen, verbringt er zusammen mit seiner Frau Ruthe seinen Lebensabend in Palm Beach, Florida, Aspen, Colorado und in Washington D.C. / New York, USA, wo seine drei Kinder und Enkelkinder leben. [000]

In US-amerikanischen und osteuropäischen, jüdischen Kreisen ist Heinz Eppler seit 1980 eine bekannte Persönlichkeit. Dies lässt sich u.a. an der Tatsache festmachen, dass er in der Zeit von 1984 bis 1988 als Präsident des Jewish Joint Distribution Committee (JDC = Joint) amtierte, eine seit Beginn des 20. Jahrhunderts aktive jüdische Wohlfahrtsorganisation.

Sein gesamter Lebenslauf, seine Karriere als Geschäftsmann und sein Wirken im Joint, wird am 23.11., am 14.12. und am 15.12.1994 in einem Interview in New York festgehalten. Originalton Heinz Eppler:

Ich bin am 11.09.1927 in einem kleinen Dorf in Deutschland, mit dem Namen Mutterstadt, geboren. Das Dorf liegt in der Nähe von Mannheim, welches wiederum südlich von Frankfurt in der Nähe von Heidelberg gelegen ist. Meine Eltern, mein Vater und mein Großvater und einige Generationen zuvor lebten in diesem Ort. Sie waren Viehhändler. Es waren ungefähr 25 jüdische Familien in dem Ort. Ich ging in die Volksschule. Wir hatten eine Synagoge, und ich wurde als ein konservativ denkender Jude großgezogen. Unser Haus war kein koscheres Heim, aber eines mit einer konservativen Grundhaltung.

1933, als Hitler an die Macht kam, kamen schreckliche Veränderungen über Deutschland, die sich auch in unserem Dorf niederschlugen. Und Schritt bei Schritt wurde unsere Lebensweise eingeengt. Ich erinnere mich als Kind, dass wir nicht in bestimmte Hotels gehen konnten. Es gab Schilder, auf denen stand, dass Juden hier nicht erwünscht sind. Wir konnten nicht in Restaurants gehen, und das Familiengeschäft wurde durch die Nazis letztlich geschlossen. Ich erinnere mich lebhaft an die Begleiterscheinung des Nazisystems: Die Hitlerjugend, die SS und die SA brachten unser Haus zu Grunde. Ich erinnere mich der Fackelparaden und all dieser schrecklichen Szenen lebhaft, die in Mutterstadt stattfanden.

Heute, wenn ich in Archiven, in den Filmen und in den Geschichtsbüchern lese, erinnert mich dies an meine Geschichte.

Meine Familie war vom Glück begünstigt, als es ihr gelang, 1938 Visas für die Vereinigten Staaten zu erhalten. Alle meine Brüder und Schwestern mütterlicherseits konnten in die Vereinigten Staaten auswandern, vor und nach dem 1. Weltkrieg. Und sie konnten sich in den Staaten niederlassen, vor allem in Cleveland und Detroit; und sie waren imstande, uns Visas zu besorgen, um aus Deutschland herauszukommen.

Die ganze Familie, meine Mutter und mein Vater, mein Bruder und meine Großmutter mütterlicherseits, kamen heraus. Wir gingen Ende August, Anfang September 1938. Und wenn sie sich in Erinnerung rufen: Die Kristallnacht war im November 1938. Wir gingen gerade noch rechtzeitig. Mein Großvater väterlicherseits dachte 1938 noch: Hitler ist ein Witz und er blieb zusammen mit seiner Tante Bertha, wo er war. Letztlich starb mein Großvater in Gurs, einem Ort in Vichy-Frankreich und Bertha in Marseille. Sie waren die einzigen Familienmitglieder, die wir verloren haben.

Ich war elf Jahre alt, als ich in Amerika ankam. Ich feierte meinen 11. Geburtstag in den Vereinigten Staaten. Und es war sehr schwierig. Als wir in den Staaten ankamen, waren wir eine typische Einwandererfamilie. Wir gingen von New York nach Cleveland.

1938 war die ökonomische Situation in den Staaten schlecht. Meine Leute waren jedoch keine Menschen, die die Wohlfahrtseinrichtungen nutzen wollten. Deutsche Juden tun so etwas nicht! Und wir taten, was wir zu tun hatten: Mutter vermietete unser gemietetes Haus an Untermieter. Und mein Vater wusch Tische und trug Zeitungen aus und tat alles, was notwendig war, um zu überleben. Sie sparten ihr Geld und sie kauften ein Haus und: Es ist eben eine typische jüdische Einwanderergeschichte.

Ich ging in den Staaten zur Schule. Ich war elf Jahre alt, ging mit Gleichaltrigen zur Schule und schaffte es, ohne sitzen zu bleiben. Trotzdem hing ich in der Klasse immer hinten und konsequenter Weise war ich nicht sehr interessiert. Am Ende der 10. Klasse verließ ich die Schule und heuerte in der US-Handelsmarine an. Nachdem ich 15 Monate gedient hatte, schrieb ich mich in die US-Armee ein. Der 2. Weltkrieg war vorüber, und ich leistete meinen 18-monatigen Militärdienst in den Staaten. Als ich den Militärdienst verließ, wurde ich Angestellter in einem Handelsgeschäft. 1951 heiratete ich meine Frau Ruthe; 1952 oder 53, als wir einige Ersparnisse hatten, kauften wir ein Haus. Und dann: 1956 verkaufte ich auf Drängen von Ruthe das Haus und wurde Geschäftsmann. Wir zogen mit zwei Kindern, zwei Babys in eine angemietete Wohnung. Den Erlös aus der Transaktion brachte ich als Investition in unser Geschäft ein.

Frage: Was für ein Geschäft war das?

Heinz Eppler: Ursprünglich war es ein Versandhandel für Haushaltsgegenstände im Mittelwesten. Ich betrieb dieses mit einem Schwager und einem weiteren Partner, der jedoch nicht aktiv war. Letztlich wandelten wir 1969 das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um.

Frage: Wo war dies?

Heinz Eppler: Die Aktiengesellschaft war in New York City. Es war eine an der New Yorker Börse notierte Gesellschaft mit dem Namen "Miller Wohl". Unser dritter Partner verkaufte den Aktien-Kontrollblock an mich. 1952 war die Gesellschaft pleite. Kopflosigkeit herrschte. Ich übernahm die Gesellschaft 1972 und wurde der Mehrheitsaktionär. Wir waren im Damen-Oberbekleidungsgeschäft und hatten 420 Ladengeschäfte in den Staaten. Letztlich bezahlten wir alle unsere Gläubiger und verkauften die Gesellschaft 1984, was bedeutete, dass ich als Mehrheitsgesellschafter und meine Familie finanzielle Unabhängigkeit erlangten.

Eines Tages erhielt ich einen Anruf von Henry Zucker. Zwar hatte ich immer schon für Wohlfahrtsorganisationen gespendet, aber ich war nicht wirklich im Fundraising involviert. Henry Zucker ist ein wunderbarer Mann. Er war Direktor, genauer gesagt Executiv-Vicepresident der Cleveland Jewish Community Federation. Henry Zucker bildete vielleicht die Hälfte aller Direktoren aus, die wir heute im Lande haben. Ich hege große Bewunderung für Henry. Ich bekam den Anruf von Henry und er sagte: "Heinz, möchtest du in den Aufsichtsrat des JDC (Joint)? Und ich sagte: "Wer ist der JDC?" Und er sagte: "Wir arbeiten weltweit. Wir unterstützen und retten Juden in Not auf dem ganzen Globus". Und ich sagte: "Henry, wenn ich helfen kann, werde ich in die Geschäftsführung des Joint gehen". Er rief mich ungefähr eine Stunde später zurück und sagte: "Heinz, möchtest du gerne in das Exekutivkomitee gehen?" Und ich sagte: "Henry, in wie weit bin ich involviert?" Er sagte: "4,5,6 Treffen im Jahr". Und ich sagte: "Henry, kann ich behilflich sein?" Er sagte: "Natürlich". So ging ich in das Exekutivkomitee. Aber nur langsam dämmerte mir, dass Henry mich für ein spezielles Projekt gewinnen wollte, das er in seinem Kopf verfolgte.

Frage: Dies war 1977?

Heinz Eppler: Es war 1977. Zu dieser Zeit war es eine der Hauptaufgaben des Joint, Pakete in die frühere Sowjetunion zu senden. In jenen Tagen brachte der Joint die Pakete auf den Weg, um Juden in Not zu helfen. Sie beinhalteten Handelsware, die die Empfänger in der Sowjetunion auf dem Schwarzmarkt weiter verkauften. Denn wenn wir Geld in die Sowjetunion transferiert hätten, müsste dies zum offiziellen Wechselkurs geschehen, was nicht so vorteilhaft wäre. Der Verkauf der Waren auf dem Schwarzmarkt erbrachte für die Verkäufer ein Vielfaches mehr als eine Geldüberweisung zu schlechtem Kurs. Darüber hinaus war es ein Weg, die Juden in der ehemaligen Sowjetunion zu erreichen und sie wissen zu lassen, dass sie nicht vergessen sind.

Meine Aufgabe war, bei verschiedenen Herstellern und Wiederverkäufern "Schnorr-Waren zu besorgen".

You know what schnorr means?

Schnorring war o.k. Mit einer Einschränkung: Was die Spender gaben, war nicht das, was wir brauchten. Was wir brauchten waren Bluejeans, weil diese in der Sowjetunion leicht zu verkaufen waren und wofür dort viel Geld bezahlt wurde.

Um es auf den Punkt zu bringen: Mit Hilfe der Miller Wohl Companie, meiner Firma, mit Hilfe meiner Freunde, aber vor allem meiner eigenen Managementfähigkeiten wurden zu äußerst günstigen Bedingungen im Jahr 1982 die Jeans-Paketsendungen von 21 000 auf 86 000 Stück gesteigert.

Heinz Eppler: The Program skyrocketed from 21 000 packages a year to 86 000 in just a few years (…) and each package supported a jewish family in the sowjetunion for fourth months. Letztlich wurde ein Drittel des Jahresbudgets des Joint für die "Sowjetunion-Jeans-Kampagne" investiert.

1982 fragte mich Henry, ob ich Geschäftsführer für Osteuropa werden möchte. Ich stimmte zu, um kurze Zeit später als Präsident des Joint (Jewish Joint Distribution Committee) nominiert zu werden:

Heinz Eppler: Anyway to make a long story short. Ich verkaufte die Miller Wohl Companie im Mai 1984 und übernahm die Präsidentschaft des Jewish Joint Distribution Committee. Um einen besseren Überblick zu erhalten, unternahm ich mit Ruthe und meinem Sohn David, ein angehender Rechtsanwalt, im Sommer 1984 eine Reise durch Osteuropa. Und wir waren so tief bewegt, was in der Vergangenheit durch den Joint bezüglich der Unterstützung der jüdischen Gemeinden in Budapest, Tschechoslowakei und Rumänien geleistet wurde, dass ich mich endgültig entschloss, die Präsidentschaft zu akzeptieren, falls ich nominiert werden sollte. Dies geschah im Dezember 1984. In der 2. Hälfte der 1980er Jahre finanzierte der Joint Lehrer für die jüdischen Gemeinden in der Sowjetunion. Und Bücher, sowie Talmuts und Thoras ebenfalls für die jüdischen Gemeinden. Ende des Interviews.

Nach Ablauf der Präsidentschaft 1988 zog sich Heinz verstärkt in sein Privatleben zurück, verblieb aber im Aufsichtsrat des Joint.

Heute lebt er an drei Orten in den USA: Palm Beach, Florida, Aspen, Colorado, New York, Manhattan, am Central Park. Übrigens ca. 500 m Luftlinie entfernt von der Wohnung des Ehepaares Lottie und Ernest Loeb. Nach dem Kriege hat er mit seinen Kindern und seiner Frau Ruthe Mutterstadt besucht und Kontakt mit der ehemaligen Nachbarfamilie Schott gehalten. Dies unerkannt.

Erst die Anstrengungen des Historischen Vereins in den 1980er Jahren mit der Familie Eppler in engeren Kontakt zu kommen, führte letztlich zu einem Besuch 1998, über den in der nebenstehenden Dokumentation Näheres zu erfahren ist.

Autor: Herbert H.W. Metzger, Jahrgang 1940, unternehmerisch tätig, amtierte v. 1980-1990 als Gründungsvorstand des Historischen Vereins der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt. Im Rahmen von 2 Bürgeraktionen und Herausgeber dieser Publikation engagiert er sich, das Unrecht, begangen an der ehemaligen jüdischen Gemeinden in Mutterstadt und der Pfalz, aufzuarbeiten und vor allem die Jugend über das Schicksal des Pfälzer und Mutterstadter jüdischen Bevölkerungsteil zu informieren.