5.1.1 Die Judenermordungen im Überblick: Pogrome im Zarenreich und der Zwischenkriegszeit 1900-39, Erschießungsaktionen der NS, Polizei, Wehrmacht 1939-45, die Vergasungsaktion ab 1942, Todesmärsche 1945

Das Ziel der Begierde der Nationalsozialisten: die Auswanderung der Deutschen jüdischer Herkunft. 340 000 Juden wählten diesen Weg bzw. kehrten nach 1945 wieder in ihre Heimatorte zurück. 160 000 kamen u.a. in den Feueröfen von Auschwitz ums Leben. Vorausgegangen waren 40 Jahre europaweiter Pogrome und Ausschreitungen gegen Juden die bis zum Einsetzen der industriell organisierten Erschießungen und Vergasungen dieser Menschen, ab 1939, bereits 100 000 Opfer gefordert hatten. [000]

Die Zahl der bis 1945 ermordeten Juden wird auf ca. 5.75 Mio. geschätzt. Darunter diejenigen 33 Mutterstadter, die meistens über die Deportation nach Gurs 1940 und von dort ab 1942 nach Auschwitz gebracht und vergast wurden. Diese Bürger waren Opfer einer Mordmaschinerie, organisiert im Laufe der interministeriell besetzten "Wannsee-Konferenz" 1942. Osteuropäische Juden wurden zunächst in städtische Gettos zusammengezogen, um sie anschließend in die Vernichtungslager zu bringen. [000]

Von ihrer Heimat entwurzelt, in Gettos gesperrt, zur Vergasung gebracht hatten in den KZ- und Vernichtungslagern anfangs 1945 trotzdem Zehntausende überlebt, die jetzt, im Winter zu Fuß, ohne Nahrung, auf der Flucht vor den Kriegsgegnern quer durch Deutschland getrieben wurden, um zu sterben. Nach dem Kriege geschieht in Polen durch Polen Unglaubliches: Von ca. 100 000 überlebenden Juden polnischer Herkunft werden 1000 bei Rückkehr in ihre Heimatorte erschlagen. Jetzt wandert der Rest der jüdischen Bevölkerung nach Israel aus. [000]

Die Nationalsozialisten hatten durch ihre antijüdische Politik in Deutschland und im Zusammenhang mit der Besetzung vieler europäischer Länder während des 2. Weltkrieges sowie mit Hilfe der dort kollaborierenden Regime, beispielsweise das französische Vichy-Regime unter Petain, die Ausrottung der europäischen Juden zu einer europäischen Politik transferiert.

Die Vorläuferereignisse: Pogrome im zaristischen Russland, beispielsweise in Akkerman am Schwarzen Meer mit 300 Toten und Bialystok, Nordostpolen mit 80 Toten.

Nach dem 1. Weltkrieg steigerte sich dies gewaltig: 80 Tote in Wilna, 1919, in Proskurow, Weißrussland, 1700 Tote, 1919 und in der Ukraine in den Jahren 1918 bis 1920 auf 85 000 Tote. Im südostpolnischen Galizien kamen zu diesem Zeitpunkt 500 Menschen, in Budapest, 1919, 300 Menschen zu Tode. Insgesamt wurden bis Ausbruch des 2. Weltkrieges ca. 90 000 Tote gezählt.

Mit der Einrichtung der Konzentrationslager in Dachau bei München 1933, Buchenwald bei Erfurt 1937, Esterwegen bei Bremen, Sachsenhausen bei Berlin, Sachsenburg bei Leipzig, alle 1933, schafften die Nationalsozialisten die Voraussetzungen, ihre Regimegegner u.a. Kommunisten und Sozialdemokraten, darunter jüdische Parteimitglieder, unschädlich zu machen.

Spätestens nach der "Machtübernahme" Hitlers im Jahr 1933 war es das erklärte Ziel der Politik der Nationalsozialisten die 500 000 in Deutschland lebenden Juden zur Auswanderung zu bringen, was gemäß obenstehender zwei Karten bezüglich der Anzahl der Emigranten und ihrer Zielorte deutlich wird.

Am 28.10.1938 wurden u.a. auch von Mannheim insgesamt 15 000 polnische Juden aus Deutschland über Neu Bentschen und Komitz über das Niemandland nach Polen ausgewiesen. Die entwürdigenden Umstände u.a. der deportierten Familie Grynszpan, die damit verbunden waren, veranlasste deren sich in Paris aufhaltenden Sohn Herszel in Paris den deutschen Diplomaten von Rath aus Rache zu erschießen. Die Nationalsozialisten nahmen dies zum Anlass, umsichtig geplant, am 09.11.1938 u.a. hunderte von Synagogen niederzubrennen, auch diejenige des pfälzischen Mutterstadt bei Ludwigshafen/Rhein.

Spätestens 1938, nach der so genannten Reichskristallnacht, war es jüdischen Familien klar, dass sie in Deutschland keine Zukunft mehr hatten. Sie handelten. Zwei Beispiele: Einer der 30 000, im Zusammenhang mit der Synagogenniederbrennung am 09.11.1938 in die Konzentrationslager u.a. nach Dachau, deportierte Mutterstadter Ernest Loeb wanderte nach Ende der Inhaftierung in die USA aus.

Das 2. Beispiel betraf die jüdischen Kinder: Die zwei weitläufig verwandten Mutterstadter Familien Dellheim brachten ihre Söhne Alfred und Werner per "Kindertransport" im Jahr 1939 nach England in Sicherheit.

Immer noch "gedeckt" durch das Ziel der Nationalsozialisten, die Juden zur Auswanderung zu zwingen, sie also nicht zu vernichten, erfolgte elf Monate später am 22.10.1940 die Deportation der Juden aus dem Saarland, der Pfalz und aus Baden in das südwestfranzösische Lager Gurs, immer noch mit der Möglichkeit für die Unglücklichen ihre Auswanderung zu betreiben.

Mit Ausbruch des 2. Weltkrieges, speziell des Polenfeldzuges 1939, also in einem fremden Land, ließen Mördertruppen des Sicherheitsdienstes (SD) und die Polizeibataillone die in Deutschland praktizierte relative Zurückhaltung Juden gegenüber endgültig fallen. Die polnischen Landgemeinden wurden zunächst durch Erschießungen dezimiert und anschließend in die gleichzeitig in den größeren Städten gebildeten Gettos gepfercht (Beispiel: Warschau). Diese wurden wiederum im Kriegsverlauf 1939-44 "entleert" und die Überlebenden teils in Arbeitslager und/oder in die Vernichtungslager zum Vergasen gebracht.

Der Beginn des ideologisch motivierten Russland-Rassenkrieges 1941 und die Berliner "Wannsee-Konferenz" im Januar 1942, die die interministerielle Organisationsstruktur zur Deportation aller elf Millionen westeuropäischer Juden, auch die in Gurs eingesperrten Pfälzer und Mutterstadter Juden, verabschiedete, brachte bis Kriegsende am 09.05.1945 insgesamt mindestens 5.75 Mio. Menschen den Tod. Die obenstehende Karte gibt detaillierte Auskunft.

Diese eher zu niedrige Zahl der Toten beinhaltet auch die Opfer der 1945 einsetzenden so genannten "Todesmärsche". Durch das Herannahen der Amerikaner, Engländer und Franzosen im Westen und der russischen "Roten Armee" im Osten gezwungen, wurden die Überlebenden meistens jüdische Insassen der Konzentrationsoder Vernichtungslager bei Winterkälte, ohne Nahrung, zu Fuß quer durch Deutschland getrieben, bewacht von Nationalsozialisten. Wer stolperte oder hinfiel wurde erschossen und liegen gelassen. Ganz besonders erschreckend ist die Erbarmungslosigkeit der Vorgehensweise gegenüber Juden. Dies im Angesicht des verlorenen Krieges und des Zusammenbruches der nationalsozialistischen Herrschaft. Nur ein Fanatismus ohne gleichen in Verbindung mit rassenideologischer Dauergehirnwäsche bei Fehlen von Mitleid und menschlichem Anstand machen das Verhalten der Wachmannschaften erklärbar.

Die allermeisten der Marschierenden überlebten nicht!

Um jedoch all diesen Schrecken der Jahre 1939-45 "die Krone aufzusetzen": Nach Ende des 2. Weltkrieges, also nach dem 09.05.1945, wurden in Polen, durch Polen aus antijüdischem Ressentiments heraus die durch die "Rote Armee" befreiten Juden, die in ihre polnischen Heimatorte zurückgekehrt waren, erschlagen.

Die 1000 Opfer in der Zeit von Mai 1945-1947 vor Augen, wanderten 100 000 Bürger polnischer Herkunft, die die Nazischrecken überlebt hatten, aus. Die meisten in den 1948 gegründeten Staat Israel.

Autor: Herbert H.W. Metzger, Jahrgang 1940, unternehmerisch tätig, amtierte v. 1980-1990 als Gründungsvorstand des Historischen Vereins der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt. Im Rahmen von 2 Bürgeraktionen und Herausgeber dieser Publikation engagiert er sich, das Unrecht, begangen an der ehemaligen jüdischen Gemeinden in Mutterstadt und der Pfalz, aufzuarbeiten und vor allem die Jugend über das Schicksal des Pfälzer und Mutterstadter jüdischen Bevölkerungsteil zu informieren.

Fotos und Sonstiges, sowie die dazugehörenden Texte, die Autoren-Kurzbiographie, sowie die Multiple-Choice-Fragen wurden durch den Herausgeber zusammengestellt.
Quelle: Siehe Quellennachweis Titel 9 (Nr. 000)

Für Schulen: Multiple-Choice-Fragen zu dem oben stehenden Artikel

- Mehrere Antworten können richtig sein -

In Deutschland lebten 1933 ca. 500 000 Juden. Wie viele Juden haben durch Auswanderung, Verstecke oder in Lagern überlebt?

 
2000 Menschen
 
350 000 Menschen
 
130 000 Menschen

 

1938 wurden deutschlandweit die Synagogen verbrannt, u.a. auch die Mutterstadter Synagoge. In diesem Zusammenhang wurden jüdische Menschen deutschlandweit in drei KZ gebracht. Wie viele waren dies?

 
30 000 Juden
 
1000 Juden
 
80 000 Juden

 

Wie viele Juden insgesamt wurden von den Deutschen von 1933-45 getötet?

 
ca. 5,75 Mio.
 
einige Hunderttausend
 
1 Million

 

Wurden nach dem 2. Weltkrieg im Jahr 1945 noch Juden aus Mordlust umgebracht? Wo, wieviele?

 
ja, in Polen, 1000 Personen
 
nein, nirgendwo
 
ja, in Deutschland, 1000 Personen