8.2.2 Die 1. Bürgeraktion „Gedenktafel für deportierte Mutterstadter jüdischen Glaubens“ stellt Antrag an die Gemeindeverwaltung
– Tafelgestaltung, Unterschriftenaktion zwecks Solidarisierung -

Die Forderung, im Oktober 2002 die 52 Gurs-Deportierten aus Mutterstadt namentlich auf einer Gedenktafel zu nennen, führte Ende November 2000 u.a. den prot. Pfarrer Jung, den kath. Pfarrer Matt und den Bürgermeister Ewald Ledig zu einer Grundsatzbesprechung zusammen, Gedenkmaßnahmen zu Ehren der ehemaligen jüdischen Gemeinde vorzunehmen. [000]

Obiger Antrag wurde vom Herausgeber dieser Publikation in einem ökumenischen Gottesdienst in der prot. Kirche am 23.10.2000 im Auftrag des Hist. Vereins der Pfalz e.V. Ortsgruppe Mutterstadt vorgetragen. Zuletzt legte die 1. Bürgeraktion „Gedenktafel für deportierte Mutterstadter jüdischen Glaubens“ den Antrag dem Gemeinderat vor , der diesen am 11.12.2001 positiv beschied. [000]


Obiger Brief der Pfarrgemeinde in Mutterstadt war ein wichtiger Beitrag, die 1. Bürgeraktion zu gründen. Neben nachhaltiger Unterstützung durch Mitglieder der prot. und kath. Kirche treten nur Bürgerinnen und Bürger auf, die kommunalpolitisch nicht aktiv sind. U.a. die Pfarrer Jung, Matt, beide als Bürgeraktionssprecher und Pfarrer Schwarz, die alle als Privatpersonen aktiv sind. [000]

Die Bürgeraktion kam schnell zur Erkenntnis, dass für die Beförderung ihres Anliegens eine umfassende Information der Mutterstadter Bevölkerung und deren Einbindung in Form einer Unterschriftenaktion eine Namensgedenktafel zu platzieren, eine Frage der Höflichkeit den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber ist. [000]

Bürgeraktion: „Gedenktafel für die deportierten Mutterstadter jüdischen Glaubens“ Namensgedenktafel: Neben einem Unterschriftenrevers als Anhang zu einem Solidarisierungsaufruf gerichtet an die Leser des Mutterstadter Amtsblattes wurden auch an über 50 Vereine und in einer Buchhandlung Listen ausgelegt. Knapp 1000 Unterschriften kamen zusammen. Letztlich wurden die Text- und Gestaltungsvorschläge der Bürgeraktion in Bezug auf die Namensgedenktafel im Ehrenhof des Neuen Friedhofes akzeptiert und umgesetzt. [000]

Der Gründungsvorgang der 1. Bürgeraktion „Gedenktafel für deportierte Mutterstadter jüdischen Glaubens“, zur Erinnerung an die Opfer der am 22.10.1940 nach Gurs deportierten Mutterstadter jüdischer Herkunft wieder einen Namen, ein Gesicht, eine Geschichte zu geben, hat eine Vorgeschichte.

Eingebunden im Vorfeld, anfänglich noch unter der Federführung des Historischen Vereins e.V., Ortsgruppe Mutterstadt, waren u.a. der Bürgermeister Ewald Ledig und weitere sieben Persönlichkeiten. Diese fanden sich zusammen, um am 28.04.2000 im Sinne von Gedenkmaßnahmen auch im Internet zu Gunsten der Deportierten aktiv zu werden.

In dieser Besprechung wurde vorgeschlagen, alle Vorkommnisse, die die ehemalige jüdische Gemeinde tangieren, dies ab 1722 bis in das 21. Jahrhundert, u.a. im Internet zu thematisieren. Es sollte in deutscher und englischer Sprache eine Dokumentation erfolgen.

Parallel zu den projektierten Internetaktivitäten wurde zu diesem Zeitpunkt vom Historischen Verein der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt, noch die Absicht verfolgt, eine Namensgedenktafel zu Gunsten der Gurs-Deportationsopfer zu platzieren.

Ein entsprechender Antrag wurde am 15.11.2000 vom Historischen Verein der Pfalz e.V., Ortsgruppe Mutterstadt gestellt, der später jedoch per Brief vom 05.12.2000 wieder zurückgezogen wurde.

Daraufhin wurde von 22 Persönlichkeiten aus Mutterstadt, alle nicht politisch engagiert, die 1. Bürgeraktion mit Namen „Gedenktafel für die deportierten Mutterstadter jüdischen Glaubens“ gegründet.

Unmittelbar nachdem der Gemeinderat am 11.12.2001 per Mehrheitsbeschluss der Namenstafelplatzierung zugestimmt hatte, trat die Bürgeraktion mit nachstehender Presseinformation an die Öffentlichkeit:

Presseinformation

Betreff: Gedenkmaßnahme für die Gurs-Deportation von Mutterstadtern jüdischen Glaubens

Die Bürgeraktion erlaubt sich folgende Fakten festzuhalten:

  1. Die im November 2000 gegründete Bürgeraktion „Gedenktafel für die deportierten Mutterstadter jüdischen Glaubens“ ist ein Zusammenschluss Mutterstadter Bürgerinnen und Bürger jeden Alters, jeder Religionszugehörigkeit und verschiedener beruflicher Lebenswege mit dem Ziel, den 1940 nach Gurs deportierten Mutterstadtern jüdischen Glaubens u.a. mit Hilfe einer im Ehrenhof des Neuen Friedhofes platzierten Namensgedenktafel zu gedenken. Die Bürgeraktion griff dabei bereits vorhandene Anträge auf und trat als offizielle Antragstellerin mit Schreiben vom 09.02.01 gegenüber der Gemeindeverwaltung auf, mit der Bitte, den Gedenkmaßnahmeantrag dem Gemeinderat zur Entscheidung vorzulegen. Alle Gemeinderatsparteien wurden per Briefkopie ebenfalls in Kenntnis gesetzt. Auf die Mitwirkung von kommunal parteipolitisch engagierten Bürgerinnen und Bürgern wurde bewusst verzichtet, um deren neutrale Entscheidungsfindung im Gemeinderat und in Bezug auf den Gedenkmaßnahmeantrag nicht zu beeinträchtigen.
  2. Die Bürgeraktion erhält u. a. Unterstützung von der Prot. und Kath. Kirche in Mutterstadt.
  3. Gemäß unserem Antrag enthält die Gedenktafel, die u.a. die Namen der 52 deportierten Mutterstadter aufzeigt, auch einen erklärenden Text, in dem u.a. zu Toleranz gegenüber allen Mitbürgern aufgerufen wird.
  4. Die Gedenktafel entspricht in Form, Material und Art der Anbringung denjenigen Tafeln, die bereits zu Ehren der verstorbenen und vermissten Soldaten beider Weltkriege im Ehrenhof des Neuen Friedhofes vorhanden sind.
  5. Wichtig erscheint es der Bürgeraktion, die Bürgerinnen und Bürger bei der Realisierung der Gedenkmaßnahmen mitwirken zu lassen. Dies u.a.

    • durch die Möglichkeit, sich per Unterschrift auf einem im Amtsblatt eingedruckten Formblatt mit der Gedenkmaßnahme zu solidarisieren und/oder
    • durch einen auch geringen Spendenbeitrag die Realisierung einer Namensgedenktafel mitzuunterstützen.
  6. Die Bürgeraktion sieht in den Handlungsweisen gemäß Pos. 3a und b eine der seltenen Möglichkeiten für die Mutterstadter, die von Bürgermeister Ledig im Rheinpfalz-Artikel vom 10.12.2001 in Bezug auf die Deportierten artikulierten „dunklen Kapitel in der 1200-jährigen Geschichte“ zumindest zu einem kleinen Teil aufzuarbeiten.
  7. In einem im Frühjahr 2002 einzuberufenden Meeting werden die 22 Mitglieder der Bürgeraktion einen Textvorschlag für das zuvor genannte Amtsblatt-Formblatt bezüglich dem Solidarisieren mit den Gedenkmaßnahmen verabschieden. Ebenso wird ein Textvorschlag bezüglich dem erklärenden Text, welcher auf der Namensgedenktafel platziert ist, erarbeitet. Das Ergebnis dieses Zusammentreffens wird dann als Textvorschlag der Bürgeraktion der Gemeindeverwaltung zur Verfügung gestellt.
  8. Es ist der Wunsch der Bürgeraktion, dass im Laufe des Sommer 2002 die Gedenktafel im Ehrenhof platziert wird.
  9. Anlässlich der Wiederkehr des 62. Jahrestages der Gurs-Deportation im Oktober 2002 sollte die Namensgedenktafel unter Mitwirkung der politischen Vertretung der Bürgerinnen und Bürger von Mutterstadt sowie der protestantischen und katholischen Kirche und der zuständigen jüdischen Kultusgemeinde in Neustadt/Weinstraße der Öffentlichkeit übergeben werden. Auf Wunsch leisten Vertreter der Bürgeraktion ebenfalls einen Beitrag zur Gestaltung der Feier.
  10. Die für die Bürgeraktion sprechenden Herren Jung, Matt und Metzger, sowie die Bürgeraktion als solche sind froh, dass der Gemeinderat am 11.12.2001 dem Antrag zugestimmt hat. Sie bedanken sich.
  11. Um eventuell ergänzende Hinweise aus der Bevölkerung zu den ehemaligen Mutterstadtern jüdischen Glaubens zu erhalten, publizieren wir die Namen der nach Gurs Deportierten wie folgt: siehe Liste.

gez. Herbert H. W. Metzger 12.12.2001

Die 1. Bürgeraktion „Gedenktafel für die deportierten Mutterstadter jüdischen Glaubens“ engagierte sich noch ergänzend dadurch, dass sie u.a. in einem Treffen am 14.02.2002 im katholischen Pfarrzentrum beschloss eine Unterschriftenaktion durchzuführen. Sie gibt den Mutterstadter Bürgerinnen und Bürgern eine Gelegenheit, durch Unterschriftsleistung das begangene Unrecht an dem ehemaligen Teil der Mutterstadter Bevölkerung anzuerkennen und sich mit der Bürgeraktion solidarisch zu erklären.

Die Unterschriftenaktion wurde zum Einen mit Hilfe des Mutterstadter Amtsblattes Ende März 2000 und mit Hilfe von vorbereiteten Unterschriftenlisten, ausgehändigt an die Mutterstadter Vereine, durchgeführt. Es wurden knapp 1000 Unterschriften gesammelt.

Herbert H.W. Metzger
Herausgeber,
Oktober 2002