9.3.1 Rheinpfalz-Artikel vom 23.10.2000
– Gedenken an Deportation -

Gedenken an Deportation

Mutterstadt: Vor 60 Jahren wurden 52 jüdische Mitbürger verschleppt.

Mit einer Gedenkveranstaltung auf dem Neuen Friedhof gedachten am Sonntagmorgen die im Mutterstadter Gemeinderat vertretenen Parteien und der Historische Verein der Deportation jüdischer Mitbürger vor 60 Jahren in die Lager des südfranzösischen Gurs. Damals wurden 52 Menschen aus ihrer Heimat Mutterstadt vertrieben, die meisten überlebten den Holocaust nicht.

„Schuldig geworden zu sein, heißt, dass es in den meisten Familien damals vor 60 Jahren Menschen gab, die nicht nur zugesehen, sondern auch mitgemacht haben“, erinnerte Walter Altvater (Grüne) in seiner Gedenkrede an das schreckliche Geschehen. Die Erkenntnis, „dass es nicht irgendwelche schrecklichen Monster waren, die ihren jüdischen Nachbarn den Tod brachten, sondern die netten, anständigen Leute von nebenan ist die unangenehme und unbegreifliche Wahrheit von damals“, sagte Altvater. „Wenn wir uns also fragen, was wir tun müssen, damit sich die Untaten nicht wiederholen, dann sollten wir alle versuchen uns für eine Politik einzusetzen, die nach Gerechtigkeit strebt“, sagte der Rentner. Der „nationalsozialistische Chauvinismus“ sowie der Rassismus seien Ideologien, in denen sich Verlierer einredeten, sie seien die wahren Gewinner. Es gelte, den um sich greifenden Neonazismus bereits im Ansatz zu bekämpfen. Über 50 jüdischen Bürgern habe der Rassenwahn die Heimat und vielen das Leben gekostet, das dürfe nie vergessen werden, mahnte Altvater.

Es gelte, die Geschichte der ehemaligen jüdischen Mitbürger aufzubereiten, erklärte Herbert Metzger vom Historischen Verein. Jüdische Kultur und jüdisches Leben seien von 1722 bis 1940 auch ein fester Bestandteil des Mutterstadter Lebens gewesen. Die Geschichte solle auch in Mutterstadt nicht unter den Teppich gekehrt werden. Den Menschen, die vor 60 Jahren deportiert, vertrieben und später teilweise in Auschwitz umgebracht wurden, solle wieder ein Gesicht gegeben werden, sagte Metzger und schlug die Errichtung eines Mahnmals vor. Es gehe um Gerechtigkeit, deshalb sei man heute hier zusammen. Ursula Köhler rezitierte aus der Todesfuge den Kernsatz „Der Tod ist ein Meister in Deutschland“. Die Parteien legten abschließend an der Friedhofsgedenkstätte Kränze nieder.