9.3.5 Rheinpfalz-Artikel vom 07.11.2000
– Den 52 Deportierten wieder ein Gesicht geben -

Den 52 Deportierten wieder ein Gesicht geben

Mutterstadt: Herbert Metzger erklärt, warum Mahnmal notwendig ist.

Der Mutterstadter Unternehmer und Historiker Herbert Metzger engagiert sich für den Bau eines Mahnmals im Bereich des Mutterstadter Friedhofs, um der Mutterstadter Juden zu gedenken, die vor 60 Jahren aus ihrer Heimat ins südfranzösische Gurs deportiert wurden. Die RHEINPFALZ fragte Metzger nach seinen Plänen.

Warum soll 60 Jahre nach der Deportation der Mutterstadter Juden noch ein Mahnmal errichtet werden?
Zunächst ist einmal festzuhalten, dass es dem Historischen Verein und meiner Person um die Namhaftmachung der 52 Deportierten geht. Die allgemein gehaltene Erinnerungstafel an die jüdische Gemeinde im Ehrenhof des Friedhofs reicht nicht. Außerdem sieht der Historische Verein die Möglichkeit, die Aufarbeitung der Geschichte der Mutterstadter jüdischen Glaubens zu einem gewissen Abschluss zu bringen. Wir würden den Deportierten durch die Namhaftmachung wieder ein Gesicht geben. Die Namhaftmachung ist überfällig.

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, man hätte sofort nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches, als viele Beteiligte noch lebten, ein Mahnmal errichtet?
Zu diesem Zeitpunkt waren teilweise die während der Nazizeit agierenden Mutterstadter im meinungsbildenden dörflichen Leben noch aktiv. Das wäre nicht durchsetzbar gewesen und hätte den örtlichen Frieden massiv gestört.

Glauben Sie daran, dass ein Mahnmal zur Erinnerung an Verbrechen, die in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts begangen wurden, das Bewusstsein der Jugend erreicht und verändert?
Ein textlich erklärendes Mahnmal ist eines der Mittel und lässt überhaupt erst zu, dass junge Menschen mit dem hässlichen Teil unserer Geschichte konfrontiert werden können. Damit einmal gegenübergestellt habe ich keine Sorge, dass bei jungen Menschen, die sehr wohl die Doppelmoral der Eltern und Großelterngeneration unterscheiden können, sich die Vorstellung durchsetzt, ein solches Mahnmal könne auch eine Frage der Gerechtigkeit den Opfern gegenüber sein. Außerdem bekommen sie Respekt vor ihren Eltern und Großeltern, dass diese sich nicht der Wiedergutmachungsthematik entzogen haben.

Ihr Vorschlag steht zur Debatte. Wie soll es weitergehen?
Ich bin überzeugt, dass mein Antrag zur Namhaftmachung der Deportierten bei den Vorstandsmitgliedern des Historischen Vereins mehrheitsfähig ist. Dieser Antrag würde dann über die Gemeindeverwaltung als vorlageberechtigte Institution dem Gemeinderat vorgelegt werden.

Kritik an Ortschronik

Sie haben auch Kritik an der Ihrer Meinung nach verharmlosenden Ortschronik geäußert. Wie erklären Sie sich das und was soll geändert werden?
Die seit 1722 in Mutterstadt lebenden Juden sind nicht einfach verschwunden, sondern sind zwangsdeportiert worden. Das Schicksal der Juden erfüllte sich nicht 1940, so als hätte eine überirdische Macht eingegriffen. Richtig ist, dass die Nazis sehr irdisch und brutal waren. Es konnte auch zu den meisten Menschen – wie fälschlicherweise dargestellt – keine Verbindung mehr aufgenommen werden, weil sie in Gurs verreckten oder in Auschwitz vergast wurden. Jede der von der Gemeindeverwaltung ausgegebene Ortschronik sollte ein Beilagenblatt mit den wahren Fakten dieses Kapitels ergänzen und wahrhaftig darstellen.