3.1.9 Der Mutterstadter Großindustrielle Friedrich Minoux als Eigentümer der Wannsee-Villa, Berlin
- U.a. seine positive Einstellung zu Deutschen jüdischer Herkunft -

Friedrich Minoux, der gebürtige Mutterstadter, war ein engagierter weitsichtiger Industrieller, ein Konzeptionist für die Bekämpfung der Inflation in den 1920er Jahren. Er war 1923 für eine führende Position in einer geplanten diktatorischen Regierung des deutschen Reiches vorgesehen. Sein Abgang war deprimierend: Als Wirtschaftsbetrüger im großen Stil kam er für fünf Jahre in das Zuchthaus Brandenburg bei Berlin. Er starb 1945 in Berlin-Wannsee. [000]

Im November 1940 verkaufte Minoux die Villa zum Preis von 1,95 Millionen Reichsmark an die von Reinhard Heydrich gegründete Stiftung Nordhav. Der Zweck dieser Stiftung war die Errichtung von Gästehäusern für Mitarbeiter des SS-Sicherheitsdienstes und deren Familienangehörige. Im Jahr 2002 wird dort eine Gedenk- und Bildungsstätte über die NS-Gewaltherrschaft betrieben. [000]

Am 20. Januar diente das großbürgerliche Ambiente des Speisezimmers der Villa als Rahmen zu der von Heydrich geleiteten Besprechung über die technisch-organisatorische Durchführung der "Endlösung der Judenfrage". Die Villa mit 1.500 Quadratmetern Wohnfläche und 30.000 Quadratmetern parkähnlichem Garten war 1914/15 errichtet worden. [000]

Das repräsentative Anwesen diente Minoux zunächst als Mitarbeiter im Stinnes-Konzern und später als Industrieller auf eigene Rechnung Kunden und Politiker zu beeindrucken. Als Freund des Mittelstandes verurteilte er die Überorganisation der Wirtschaft und trat für eine soziale Marktwirtschaft ein, wie diese nach dem 2. Weltkrieg auch der ehemalige Erhard vertrat. Minoux selbst hielt die Integration des Wissens und der finanziellen Möglichkeiten Deutscher jüdischer Herkunft in das Regierungshandeln für äußerst wichtig. [000]

Zusätzlich zu den offensichtlich unternehmerischen Fähigkeiten muss Friedrich Minoux als ein bemerkenswerter politischer Kopf gelten. In den 1930er Jahren, entgegen dem Zeitgeist, verfolgt er bereits ein wirtschaftspolitisches Konzept, welches 1948 von Prof. Dr. Ludwig Erhard zu Gunsten der heutigen Bundesrepublik umgesetzt wurde. [000]

Der in Mutterstadt geborene Friedrich Minoux hatte zwar nichts mit der eigentlichen Berliner Wannsee-Konferenz im Jahre 1942, in der die so genannte Endlösung der Judenfrage verhaftungs- und d Der in Mutterstadt geborene Friedrich Minoux hatte zwar nichts mit der eigentlichen Berliner Wannsee-Konferenz im Jahre 1942, in der die so genannte Endlösung der Judenfrage verhaftungs- und deportationsrelevant organisiert wurde, zu tun. Als Ex-Besitzer der Wannsee-Villa und weil diese für die jüdischen Holocaustopfer eine solch immense Bedeutung hat, auch weil Minoux in seinem Heimatort Kontakte und Freundschaften zu jüdischen Familien hielt, soll er im Rahmen dieser Publikation vorgestellt werden.

Minoux verkaufte die sich in seinem Besitz befindende Villa am Wannsee, auch Villa Minoux genannt, 1940 an die nationalsozialistische Stiftung NORDHAV.

Leiter war der Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Reinhard Heydrich. Er wollte die Villa u.a. als Kasino und Ferienheim für NS-Funktionäre, wohl auch für private Zwecke nutzen. Dort fand am 20.01.1942 die berüchtigte Wannsee-Konferenz statt, in welcher die Ministerien und betroffenen Ministerialkreise in organisatorischer Hinsicht entschieden, ca. 11 Millionen Juden aus ganz Europa einer "Sonderbehandlung" zuzuführen.

Der eigentliche Massenmord des Naziregimes an seinen Gegnern war bereits seit Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Rußland 1941 in vollem Gange.

1. Persönliches

Friedrich Minoux wurde am 21.03.1877 in Mutterstadt in der Nähe von Mannheim als Sohn des Schneidermeisters Michael und dessen Ehefrau Katharina geb. Reffert aus Eppstein bei Frankenthal geboren. Er besuchte die Humanistischen Gymnasien in Speyer und Mannheim. Mit 15 Jahren war er schon Waise. Seine ältere Schwester Barbara wird als Fürsorgerin für ihn bestellt. Nach der Mittleren Reife verlässt er das Gymnasium, tritt 1893 in den Dienst der großherzoglich-badischen Eisenbahnverwaltung ein, und leistete in Landau seinen Militärdienst ab.

Mit dem Eintritt als Bürogehilfe bei den Gas- und Wasserwerken der Stadt Essen verschaffte er sich Fachwissen in dieser Branche, die ihm später während seiner Selbständigkeit hilfreich war. Zuletzt kaufmännischer Direktor der Gas- und Wasserwerke Essen trat er 1912 in die Dienste von Hugo Stinnes, der u.a. gleiche Interessen in der Branche hatte, nur in anderen Dimensionen. Minoux, 26-jährig, heiratet 1903 seine Frau Maria, mit der er zwei Töchter hat.

2. Berufliches

Der Industrie-Tycoon Hugo Stinnes engagierte den kompetenten, überengagierten Minoux zunächst für die Berliner Niederlassung seines Mischkonzerns u.a. mit Interessen in der grafischen-, Papier-, Kohle- und Stahlindustrie. Mit Hilfe der Raubrittermentalität der Inflationszeit, also in den 1920er Jahren, sowie spekulativen Manövern bei Geschäftsaktivitäten und durch Firmenübernahmen im großen Stil, verschaffte Minoux dem Stinnes-Konzern beträchtliche Jahresgewinne.

Minoux‘ Bezüge selbst wurden jährlich mit wertbeständigen, 350.000 Goldmark pro Jahr festgelegt, eine unglaubliche Summe. Minoux, der Mutterstadter, gibt dabei an, dass er seinem Arbeitgeber, dem Stinnes-Konzern, zu einem Verdienst von rund 200.000.000 Goldmark verholfen hat.

1921 kauft Minoux die Villa am Großen Wannsee 56-58 mit Hilfe der ihm gehörenden Vermögensverwaltungsfirma Norddeutsche Grundstücks AG.

Die Villa gab den Rahmen für Abendgesellschaften genauso ab wie für das notwendige Ambiente bei geschäftlichen und politischen Besprechungen. Durch einen notariellen Umwandlungsbeschluss vom 02.06.1938 wurde Minoux persönlicher Eigentümer und später entsprechend auch in das Berliner Grundbuch eingetragen.

3. Politisches

Ab 1923 betätigte sich Minoux in einer Art konspirativem Engagement zu Gunsten rechtsradikaler Wehrverbände und der Reichswehr.

Im Herbst 1923 war er als mögliches Mitglied einer mit diktatorischen Vollmachten ausgestatteten Reichsregierung im Gespräch.

Als strategisch denkende Fachmänner in Sachen Wirtschaft und Finanzen waren Stinnes und Minoux 1923 mit Hilfe von Devisenspekulationen zu Lasten des Deutschen Reiches in der Lage, den Devisenkurs der Reichsmark in den Sturzflug zu bringen.

Der Regierungschef Stresemann, der nach den oben genannten Transaktionen im August 1923 in das Amt gekommen war, war von dem Fachmann Minoux in einer Weise beeindruckt, dass dieser, Minoux, Sachverständiger zur Inflationsbekämpfung wurde.

Minoux wurde auch dadurch aktiv, dass er das Papiergeld zu Gunsten einer Goldmarkwährung abschaffen und die Steuergesetzgebung vereinfachen wollte. Er wollte durch diesen radikalen Plan treffen: "… im weitaus ersten die besitzende Klasse, die Faulenzer und Verschwender, die wirklich einzigen Schädlinge des Wirtschaftskörpers, Drohnen im Bienenstock der arbeitenden Bevölkerung…"

1924 führte der Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht die so genannte Rentenmark nach dem von Minoux vorgeschlagenen Goldstandard ein.

Soweit unser Mutterstadter mit seinen wirtschaftlichen und politischen Vorstellungen.

Am 09.11.1923 scheiterte der Hitler-Putsch, in Form eines Marsches auf die Feldherrenhalle in München, kläglich. In diesen Wochen agierte Minoux unaufhörlich hinter den politischen Größen. Den Vorschlag des General von Schleicher ihn, Minoux, zum Minister zu ernennen, schlug dieser aus.

Ein diktatorisches Direktorium sollte die Regierungsgeschäfte übernehmen, u.a. unter Beteiligung von Minoux. Das Diktaturvorhaben scheiterte jedoch, weil der Reichspräsident Hindenburg sich hinter die demokratischen Kräfte der Weimarer Republik stellte und die Pläne von Seeckt, dem Initiator, ablehnte.

Im Zusammenhang mit dem Hitler-/Ludendorf´schen Putschprozess, Folge des zuvor genannten Marsches auf die Feldherrenhalle in München, kam u.a. auch das Minoux´sche Wirtschaftsprogramm, aus welchen Gründen auch immer, zur Sprache und wurden verworfen.

Dies deshalb, weil dem, neben Hitler ebenfalls angeklagten Ludendorff die Vorschläge von Minoux "zu wenig völkisch, zu wenig antisemitisch und zu sehr von materiellen Gesichtspunkten bestimmt" sind. Denn Minoux erklärte, dass auf die Hilfe der Juden, gerade bezüglich Währungsstabilisierung, nicht verzichtet werden könne. Er wollte darüber hinaus die beiden jüdischen Bankiers, Melchior und Warburg, als Finanzsachverständige zwecks Lösung der Probleme und zu Gunsten des Deutschen Reiches heranziehen.

In den 1930er Jahren war Minoux durchaus weiterhin mit seinen wirtschaftspolitischen Vorstellungen unterwegs. Er verurteilte die Überorganisation der Wirtschaft und wohl auch des Staates und lenkte die von den linken Parteien geforderte Planwirtschaft ab.

Er hielt über seine Vorstellungen Vorträge u.a. mit dem Titel "Wirtschaftswende durch soziale Individualwirtschaft", ein Programm für eine soziale Marktwirtschaft, das den Mittelstand, nicht die große Industrie förderte. Er war somit ein Reformer, der den mittelständischen Unternehmer als solchen als Allheilmittel gegen die Wirtschaftsmisere anbot.

4. Geschäftliches

Nach der Trennung vom Mischkonzern Hugo Stinnes im Herbst 1923 gründete Minoux mit großem Erfolg Firmen und beteiligte sich an einer Vielzahl anderer.

Kernstück seines bald verschachtelten Firmenimperiums war die Friedrich Minoux AG für Handel und Industrie und zu einem späteren Zeitpunkt die Kohlengroßhandlung Friedrich Minoux, Gesellschaft für Industrie und Handel m.b.H. Letzere wurde 1935 in die Friedrich Minoux KG umgewandelt.

An der 1817 gegründeten Berliner Bank Jacquier u. Securius beteiligte er sich nicht zuletzt deshalb, um leichter an Liquidität für seine eigenen unternehmerischen Aktivitäten zu gelangen. Die Beteiligung belief sich auf eine Million Goldmark.

Am 21.06.1938 kauft Minoux für 3.65 Mio. Reichsmark die Papierfabrik Okristel, bei Frankfurt/Main gelegen, von dem jüdischen Besitzer. Dieser war von den Nationalsozialisten in Bezug auf deren Arisierungsprogramm unter Verkaufsdruck gesetzt worden. Allein das Grundstück konnte bei der Deutschen Bank mit 3 Mio. Reichsmark belastet werden. Faktisch hatte Minoux einen Betrieb im Wert von 12 Mio. RM mittels eines Kapitaleinsatzes von 0,65 Mio. RM erworben, was selbst unter den Bedingungen des organisierten Raubes an den deutschen Juden, der so genannten Arisierung jüdischen Vermögens, ein Fall der Bereicherung darstellte.

5. Minoux als Wirtschaftsbetrüger (GASAG-Prozess)

Einerseits war Friedrich Minoux Vorstandsvorsitzender der Berliner Gaswerke, GASAG ab 1924 und Vorstandsmitglied der Vereinigten Berliner Kohlenhändler, VBK.

Andererseits gab es das Gaskoks-Syndikat mit Namen "Wirtschaftlicher Vereinigung Deutscher Gaswerke, Gaskoks-Syndikat AG". Dies als Zusammenschluss von zuletzt, 1919, 600 Gaswerken deutschlandweit, die als Aktionäre partizipierten. Beide Wirtschaftsgebilde machten Geschäfte miteinander.

Bestimmend bei Geschäftsentscheidungen und Geldtransaktionen auch in beiden Aktiengesellschaften konnte Minoux sich persönlich über Provisionszahlung bei vorgeblichen, letztlich aber nur scheinbaren, nicht werthaltigen Aktivitäten in Millionenhöhe zuweisen, dies zu Lasten der GASAG, die er kontrollierte.

Nach Auffliegen dieses Betruges und der Vermögensschädigung der GASAG, Berlin, die übrigens auch noch im Jahr 2002 monopolähnliche Aktivitäten in Berlin betreibt, wurde von der GASAG ein Prozess gegen Minoux angestrengt. Friedrich Minoux wurde 1940 zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in der Strafanstalt Brandenburg bis zu seiner Befreiung durch die Rote Armee im Mai 1945 absaß. Wenige Monate darauf verstarb er.

Friedrich Minoux wurde in Berlin-Wannsee, dem Ort, an dem er zu Zeiten als Besitzer der Wannsee-Villa glückliche Zeiten verlebte, beerdigt.

6. Sonstiges

Im Jahr 2002 befindet sich in der Minoux- Villa in Berlin-Wannsee die Gedenk- und Bildungsstätte "Haus der Wannsee- Konferenz". U.a. wird die Geschichte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933-1945 abgehandelt.

Autor: Herbert H.W. Metzger, Jahrgang 1940, unternehmerisch tätig, amtierte v. 1980-1990 als Gründungsvorstand des Historischen Vereins der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt. Im Rahmen von 2 Bürgeraktionen und Herausgeber dieser Publikation engagiert er sich, das Unrecht, begangen an der ehemaligen jüdischen Gemeinden in Mutterstadt und der Pfalz, aufzuarbeiten und vor allem die Jugend über das Schicksal des Pfälzer und Mutterstadter jüdischen Bevölkerungsteil zu informieren.

Fotos und Sonstiges, sowie die dazugehörenden Texte, die Autoren-Kurzbiographie, sowie die Multiple-Choice-Fragen wurden durch den Herausgeber zusammengestellt.
Quelle: Siehe Quellennachweis Titel 9 (Nr. 000)

Für Schulen: Multiple-Choice-Fragen zu dem oben stehenden Artikel

- Mehrere Antworten können richtig sein -

Der Mutterstadter Minoux war Besitzer der Wannsee-Villa in Berlin. Eine Konferenz wurde 1942 dort abgehalten. Was wurde dort beschlossen?

 
aus der Villa ein Gästehaus zu machen.
 
ein Organisationsplan, europäische Juden nach Osteuropa zu deportieren
 
die so genannte "Endlösung der Judenfrage", was die Ermordung von 11 Mio. Juden bedeutete.

 

War Friedrich Minoux selbst mit der Judenvernichtung befasst?

 
nein. Er wollte deren ökonomisches Wissen sogar in das Regierungshandeln einbeziehen
 
Minoux hat sich mit Politik nicht befasst.
 
ja, er war aktiv den Nationalsozialisten zugetan.

 

Minoux hatte selbst ein Wirtschaftskonzept entwickelt, die desolate ökonomische Situation der Weimarer Republik zu verbessern. Er setzte auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. Welche?

 
die Großindustrie
 
den mittelständigen Gewerbetreibenden und Unternehmer
 
auf ein sozialistisches / kommunistisches Gesellschaftsmodell