1.3.3 Vorwort des Herausgebers an Schülerinnen und Schüler an Schulen im ehemaligen „Gurs-Deportationsgebiet“, also in Baden, der Pfalz und dem Saarland sowie den Mutterstadter Schulen

Liebe Schülerinnen und Schüler

1940 wurden in Baden, der Pfalz und dem Saarland 6509 Bürger jüdischer Herkunft in das südwestfranzösische Pyrenäenstädtchen Gurs deportiert. Mitgeholfen dabei haben u.a. örtliche Polizeidienststellen und Gemeindeverwaltungen.

Ich stelle die Behauptung auf: Wenn junge Menschen einmal darauf aufmerksam gemacht werden, was Unrecht ist, wo Ungerechtigkeit herrscht und wie man diese Verhaltensweisen beseitigen kann, sind sie fähig, sich ein Urteil zu bilden und ihre Erkenntnisse im Sinne der ausgleichenden Gerechtigkeit argumentativ einzusetzen. Sie benötigen lediglich entsprechende Informationen.

Das ist, umgesetzt in unsere heutige Zeit, in der einige junge Menschen und ältere Drahtzieher glauben, als Deutsche so genannte deutsche Interessen, dies in einer die Nichtdeutschen diskriminierenden Weise, vor die Interessen Nichtdeutscher setzen zu müssen, wichtig.

Denn es war vor mehr als 65 Jahren beispielsweise in der Pfalz und in Mutterstadt, genau diese Denkweise, die der Nationalsozialistischen Partei (NSDAP) unter ihrem Chef Hitler in Wahlen 1936, beispielsweise mit 99,6% der Wahlstimmen in Mutterstadt, ihre Zustimmung signalisierte.

Neben vielen Ungerechtigkeiten, die damals Regimegegner erfuhren, ist die so genannte Gurs-Deportation 1940 u.a. von 52 Bürgern jüdischer Herkunft aus Mutterstadt besonders zu nennen.

33 Bürgerinnen und Bürger aus Mutterstadt wurden von Gurs ab 1942 nach Auschwitz im heutigen Polen deportiert und dort ums Leben gebracht.

Glück im Unglück dabei ist, dass Schülerinnen und Schüler aus jüdischen Mutterstadter Familien zuvor durch Auswanderung und durch die so genannten "Kindertransporte" 1939 dem nationalsozialistischen Regime entkommen konnten.

Würdet ihr das damalige Unrecht nicht als solches begreifen, würdet ihr nicht erkennen, dass Mitschüler oder deren Eltern, die nicht in Deutschland geboren sind, als gleichwertig und als gleichrangig im Hinblick auf Rechte und Pflichten betrachtet werden müssen, würdet ihr einen Fehler machen.

Ihr würdet Euch vergleichbar verhalten, wie es die meisten Deutschen damals von 1933 bis 1945 taten.

Damals geschah dies oft mangels objektiver, umfangreicher und wertneutraler Informationsmöglichkeiten und somit manipulierbar durch die damaligen Machthaber. Denn es gab kein Internet, kein Fernsehen, lediglich in wenigen Haushalten leistungsschwache Radios, die so genannten Volksempfänger, mit denen man nur schwer ausländische Informationssendungen empfangen konnte, was zudem während der Kriegszeit verboten war. Auch dies hat zu den Gurs-Deportationen geführt.

Gedanken hat sich der Herausgeber auch gemacht, euch geschichtliche Zusammenhänge plausibel darzustellen: Auch in diesem Internet-Auftritt wird sehr viel von "der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Mutterstadt" gesprochen. Aber wie sind diese Menschen hierher gekommen?

Oder: "52 jüdische Mitbürger sind deportiert worden!" Aber was waren die Hintergründe, wer waren die Verantwortlichen?

Oder: "Es sind bezüglich der Opfer neue Freundschaften geschlossen worden!" Aber warum, wie, durch wen?

Es werden Antworten gegeben: z.B. über den ägyptischen Pharao Ramses II, der vor mehr als 3000 Jahren die Hebräer, die später Juden genannt wurden und schon viele Jahrhunderte im ägyptischen Reich wohnten, Sklavendienste verrichten ließ. Ihr könnt dessen Mumie sehen oder ihr könnt mit Hilfe einer 3D-Computeranimation einen virtuellen Besuch in der ehemaligen Mutterstadter Synagoge machen. Oder es wird ein Pferde-Deal beschrieben, durchgeführt als Lufttransport zwischen Amerika und Europa: zwei Mutterstadter, ein ehemaliges Deportationsopfer, heute in Florida, USA, lebend und ein Mutterstadter Handwerksunternehmer, heute in Dannstadt ansässig.

Neugierig geworden? Beim Surfen, viel Spaß!

Und noch etwas: Am Ende vieler Textbeiträge werden Multiple-Choice-Fragen zu der jeweiligen Geschichte gestellt. Mein Tipp: Lest zumindest die Texte unterhalb der Fotos und Dokumente. Dann könnt ihr die Fragen beantworten.

Herbert H.W. Metzger, Herausgeber Oktober 2002