4.1.4 Die Ernteschlacht des Bürgermeisters Backe im Jahr 1939 Jüdischer Bevölkerungsteil beim Arbeitseinsatz
- Mutterstadter jüdischer Herkunft als arbeitsscheu verhöhnt -

Eine landwirtschaftliche Szene aus Mutterstadt vor 1938. Zum Thema: Bürgermeister Backe hielt elf Männer des jüdischen Bevölkerungsteils zur Erntehilfe heran. Diese folgen nicht unwillig dieser ehrenamtlichen Tätigkeit. Trotz allem handwerklichen Einsatz vieler Helfer konnten auch nicht annähernd die Ernteergebnisse erzielt werden wie in der heutigen vollmechanisierten Landwirtschaft des Jahres 2002. [000]

Eine landwirtschaftliche Szene aus Mutterstadt vor 1938. Zum Thema: Das unseriöse in der Art der Schilderung des Arbeitseinsatzes der elf jüdischen Männer kommt in der Formulierung … einmal in ihrem Leben gearbeitet … zum Ausdruck. Richtig ist, dass der jüdische Bevölkerungsteil prozentual und in Bezug auf die nichtjüdische Bevölkerung, ausgedrückt in ihrem Gewerbefleiß und der daraus resultierenden Gewerbesteuer überdurchschnittlich gute Steuerzahler waren. Dies auch in Mutterstadt. [000]

In einem Bericht vom 14.02.1940 des Bürgermeisters der Gemeinde Mutterstadt an den Landrat des Landkreises Ludwigshafen "betr. Maßnahmen gegen die Juden" wird durch den Bürgermeister, Lehrer von Beruf, wie folgt festgehalten:

Zunächst stelle ich fest, dass ich keinerlei "Maßnahmen gegen Juden" ergriffen habe, sondern Maßnahmen für die Landwirtschaft und die Sicherstellung der Ernte. Dass ich dabei elf männliche Juden angefordert habe, einmal in ihren Leben zu arbeiten, halte ich angesichts der Tatsache, dass Tausende deutscher Arbeiter und Beamten in ihrer Freizeit für den gleichen Zweck ehrenamtlich eingesetzt wurden, für belanglos. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass die Juden, die von ihrem Gastland trotz all der Einschränkungen, die dem eigenen Volke auferlegt sind, heute noch ernährt werden, dafür auch einmal die Hände rühren dürfen. Es erregt Anstoß in der Bevölkerung, wenn 60 ausgewachsene und gutgenährte Juden auf den Straßen umherlaufen, während bis zum äußersten angespannte berufstätige Volksgenossen auch (in) ihre(r) Freizeit noch ehrenamtlich zum Wohle der Gemeinschaft (auch dieser faulenzenden Juden) arbeiten. Die Frage der Bezahlung wurde von den Juden schon deshalb nicht angeschnitten, weil ihnen schon von vornherein eröffnet wurde, dass die Arbeit ehrenamtlich sei. Eine Drohung mit anderen Mitteln kann deshalb auch nicht erfolgt sein. Die Behauptung, dass arische Personen für die gleiche Arbeit 60-65 Rpfg. erhalten hätten, stimmt nicht; ich verweise auf meine obigen Ausführungen über die ehrenamtliche Arbeit vieler Tausender deutscher Volksgenossen. Abschließend stelle ich fest, dass meine Maßnahmen für die Sicherstellung der Ernte durchaus gerechtfertigt waren, und ich habe die Absicht, auch in Zukunft die Juden bei ähnlichen Arbeiten im Interesse der Allgemeinheit wieder einzusetzen. Im Übrigen darf erwähnt werden, dass sich die Juden nach den Ausführungen meines Beauftragten durchaus zustimmend über diese Aktion geäußert haben.

Es geht um die Ernte 1939, Polen ist besiegt, noch ist der erklärte Krieg gegen Frankreich nicht definitiv ausgebrochen.

Man muss sich jedoch vergegenwärtigen, dass zu diesem Zeitpunkt mit den umfassensten Maßnahmen seit 1933 bei dem jüdischen Bevölkerungsteil auch in Mutterstadt eine vollständige Entrechtung umgesetzt worden war.

Der im Machtrausch sich befindliche Nationalsozialismus, ein Goliath gegen den Zwerg der jüdischen Minderheit, nutzt dies in ergänzendem Sinne aus: durch Verhöhnung der Opfer.

Der Autor hat bei seinen Recherchen niemanden getroffen, der den Mutterstadter Juden nachsagte von Faulheit geplagt gewesen zu sein.

Dies bezieht sich auf die Textpassage …dass ich dabei elf männliche Juden angefordert habe, einmal in ihrem Leben zu arbeiten…!

Warum sollten sie eigentlich als so genannte "Volks- und Rassenfeinde" dies auch tun?

Dass diese Menschen, die aus der "Volksgemeinschaft Hitlerdeutschland" ausgeschlossen waren, sich trotzdem positiv zum Arbeitseinsatz ausgesprochen hatten, ist mehreren Umständen zuzuschreiben: Angst, Schicksalsergebenheit, Möglichkeit, ihrem tristen Alltagsleben und ihrer durch die Nationalsozialisten erzwungenen Arbeitslosigkeit zu entkommen.

Und mit einiger Sicherheit auch deswegen, weil diese Mutterstadter jüdischer Herkunft spätestens ab Mitte des 19. Jahrhunderts sich zu dem Teil der staatstragenden Bürgerinnen und Bürger Deutschlands rechneten und helfen wollten.

Autor: Herbert H.W. Metzger, Jahrgang 1940, unternehmerisch tätig, amtierte v. 1980-1990 als Gründungsvorstand des Historischen Vereins der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt. Im Rahmen von 2 Bürgeraktionen und Herausgeber dieser Publikation engagiert er sich, das Unrecht, begangen an der ehemaligen jüdischen Gemeinden in Mutterstadt und der Pfalz, aufzuarbeiten und vor allem die Jugend über das Schicksal des Pfälzer und Mutterstadter jüdischen Bevölkerungsteil zu informieren.

Fotos und Sonstiges, sowie die dazugehörenden Texte, die Autoren-Kurzbiographie, sowie die Multiple-Choice-Fragen wurden durch den Herausgeber zusammengestellt.
Quelle: Siehe Quellennachweis Titel 9 (Nr. 000)

Für Schulen: Multiple-Choice-Fragen zu dem oben stehenden Artikel

- Mehrere Antworten können richtig sein -

Gab es in der NS-Zeit, also vor 1945, in der Landwirtschaft schon Mähdrescher?

 
Ja, die reichen Bauern hatten Mähdrescher.
 
Nein, Handarbeit war der Regelfall
 
die Landwirtschaft war auf Mensch- und Tierkraft angewiesen

 

elf Männer jüdischer Herkunft wurden als Erntehelfer verpflichtet. Wie wurden sie entlohnt?

 
Entsprechend den damaligen Stundenlöhnen
 
ehrenamtlich auf freiwilliger Basis
 
ehrenamtlich auf gezwungener Basis

 

Die in Mutterstadt gewerblich tätigen Menschen jüdischer Herkunft waren Gewerbesteuerzahler. Zahlten diese geringe oder beachtliche Steuern?

 
Sie zahlten keine Steuern.
 
Sie zahlten überdurchschnittlich hohe Steuern.
 
Sie zahlten weniger Steuern als vergleichbare nichtjüdische Bürger.