6.3.3 Der aus Mutterstadt stammende Jakob Loeb hilft den Katholischen Schwestern, 1947
– Dankesbrief nach New York -

Nahezu unvorstellbar: 1947 im Wissen, dass Millionen von jüdischen Glaubensgenossen, eine Vielzahl davon Mutterstadter, in den Vernichtungslagern ermordet wurden, schickt der emigrierte Jakob Loeb Lebensmittel an die katholischen Schwestern. Diese sind voll Dankbarkeit und verurteilen, nachweisbar aus innerer Überzeugung und durch selbst erfahrene Unterdrückung, das nationalsozialistische Regime auf das Schärfste. [000]

Vorbemerkung:

Bei dem nachstehenden Brief handelt es sich um eine Dokumentenübersetzung aus der Sütterlinschrift. Gegenstand ist ein „Liebespaket“ an die katholischen Schwestern in Mutterstadt, abgesendet von dem Bruder von Ernest Loeb, Herrn Jakob Loeb, aus New York.

Er trägt die Unterschrift „Ihre dankbaren Schwestern“ und ist an den Bruder von Ernest Loeb, wohnhaft in New York, gerichtet.

Die Schwestern haben unterhalb des Adressenfeldes des Originalbriefes gepresste Blumen geklebt und eine Art Gedenkschleife darunter gemalt, mit den Worten „Grüße aus der Heimat“.

Ernest Loeb hat diesen Brief offensichtlich bei den Unterlagen seines Bruders gefunden und deshalb folgenden Vermerk auf der ersten Seite hinterlassen: „dieser Brief war an meinen Bruder Jakob Loeb, 19.08.1987.“

Da dieser Brief in damals gebräuchlicher Sütterlinschrift erstellt ist, hat sich Frau Anneliese Ledig, geb. Metzger, Jahrgang 1923, erboten, diesen zu übersetzen. Dies erfolgte am 23.05.2002.

Interessant an dem Brief ist u.a., dass der Begriff „Gott sei dank“ abgekürzt ist: G.s.D. Auch im jüdischen Glauben wird der Name „Gott“ niemals ausgeschrieben, sondern man behilft sich beispielsweise mit „G..T“.

Sehr geehrter Herr Loeb!

Großer Dank veranlasst uns Ihnen, sehr geehrter Herr Loeb, heute zu schreiben.

Mit freudiger Überraschung erhielten wir von Ludwigshafen die Nachricht, dass ein Liebespaket von Ihrer Güte für uns bereit liegt und das wir am festgesetzten Tage dort abholten. Wie Kinder, die zum ersten Mal von ihren Eltern beschert werden, standen wir alte Schwestern, welche Sie vielleicht noch in Erinnerung haben, z.B. die Schwester Clara, die Ihren Bruder Fritz in seiner Krankheit gepflegt, um das Paket und waren gerührt ob solcher Aufmerksamkeit.

Sicher hat Sie Ihre gute alte Mutter zu dieser edlen Tat veranlasst. Und wie sollen wir es Ihnen, sehr geehrter Herr Loeb, vergelten. Möge der allgütige Gott es Ihnen lohnen. Sie haben uns aus großer Not geholfen. Denn Sie wissen ja wie es in Deutschland steht. Wir alle müssen die Folgen tragen, die ein Verbrecher über unser Land gebracht hat mit seinen Anhängern. Auch wir haben unter diesem Regime schwer gelitten, wenn es kein Vergleich ist zu dem, was Ihre Glaubensgenossen mitgemacht haben. Dass Ihre alten Eltern diese schwere Zeit überstanden, ist fast ein Wunder. Wir denken oft noch daran, welche Schrecken es für uns war, als die Hitlerbanden unsere Nachbarn geholt haben, nachdem sie vorher fast alles zerstört hatten. Und es hat einem in der Seele fast weh getan, nicht helfen zu können. Der kleine Maxel Loeb soll auch keine Eltern mehr haben und ist in New York. Falls Sie ihm begegnen, so richten Sie bitte viele Grüße von uns aus. Er war bei uns wie zu Hause und es gab nichts wo Maxel nicht dabei war. In unserer Kinderschule, die wir noch in Hitlerzeiten wieder zurück erhalten, stehen heute noch die Andenken aus seiner Kinderstube, welche er uns zum Abschied brachte.

Würden uns freuen, wenn wir Sie alle mit Ihren Angehörigen wieder in der alten Heimat begrüßen dürften, obwohl die Erinnerung manche bittere und schmerzliche Empfindungen hervorrufen wird. Viele sahen es schon lange ein, wie sie betrogen wurden, und leiden, ob mit- oder unschuldig. G.s.D. (Gott sei dank) dass der Schwindel vorbei ist. Hoffentlich geht es Herrn Loeb noch gut, was die Verhältnissen entsprechen auch bei uns der Fall.

Alles Gute für die Zukunft wünschend
Ihre dankbaren Schwestern und verbleiben mit herzlichen Grüßen

Autorinnen: sind den Namen nach nicht bekannt

Fotos und Sonstiges sowie die dazugehörenden Texte, die Autoren-Kurzbiographie sowie die Multiple-Choice-Fragen wurden durch den Herausgeber zusammengestellt.
Quelle: Siehe Quellennachweis Titel 9 (Nr. 000)

Für Schulen: Multiple-Choice-Fragen zu dem oben stehenden Artikel

- Mehrere Antworten können richtig sein -

War es 1947, also kurz nach Kriegsende 1945, möglich, Briefe und Päckchen aus den USA zu erhalten?

 
Ja, normaler Postverkehr war möglich.
 
Alle Verkehrsverbindungen zwischen Deutschland und den USA waren unterbrochen.
 
Nur US-Militärs in Deutschland konnten aus den USA Post bekommen.

 

Konnte 1947 ein Deutscher erwarten, von einem jüdischen Menschen Hilfe zu bekommen?

 
Nein.
 
Prinzipiell ja, da Nächstenliebe ein jüdisches Grundgebot ist.
 
Nur außergewöhnliche, charakterfeste Menschen verhalten sich so.

 

Haben die katholischen Schwestern in Mutterstadt Hitler unterstützt?

 
Nein.
 
Nein, die Kirchen wurden durch das Regime unterdrückt.
 
Ja, dadurch, dass diese nicht gegen die Judenverfolgung protestiert haben.