1.2.1 Grußwort des Ministerpräsidenten des Landes Rheinland-Pfalz

Der obige "Rheinpfalz"-Presseartikel vom 30.10.2000 ist aufschlussreich deshalb, weil Regierungsvertreter aus Rheinland-Pfalz, Baden und Frankreich sowie Vertreter des Zentralrates der Juden in Frankreich am 60. Jahrestag der Judendeportation 1940 in das südwestfranzösische Pyrenäenstädtchen Gurs auf der dortigen Gedenkstätte gemeinsam sich der Opfer erinnern. Kurt Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland u.a. für diese Gedenkmaßnahme, nahm an der Gedenkveranstaltung teil. Er sicherte auf Dauer finanzielle Mittel für den Unterhalt der Erinnerungsstätte zu. Beck zu Monsieur Kahn, dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Frankreich gewandt: "… es ist sehr wichtig für uns zu fühlen, wie groß die Freundschaft zwischen Deutschen und Franzosen ist…". Monsieur Kahn: "…dies ist nicht nur ein symbolischer Akt, sondern eine historische Ermahnung von großem pädagogischen Wert…! [000]

Die Deportation jüdischer Mitmenschen nach Gurs im Jahr 1940 ist eines der dunkelsten Kapitel der jüngeren Geschichte der Pfalz und berührt bis heute viele Menschen. Tief bewegt hat mich die Begegnung mit Überlebenden und Angehörigen bei meinem Besuch der Gedenkstätte in Gurs vor zwei Jahren. Die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit, Erinnerung, Gedenken und Versöhnung sind die Gebote, die uns die Geschichte des 20. Jahrhunderts und die nationalsozialistischen Verbrechen gegen die Menschlichkeit mit auf den Weg gegeben haben.

Ich bin dankbar, dass in diesem Sinne Opfer, Angehörige, Institutionen, Verbände und zahlreiche Initiativen dazu beitragen, Gedenken und Versöhnung zu ermöglichen. Dies gilt für die Bemühungen um die Gedenkstätte in Gurs im Besonderen, denn Gurs ist eine bleibende Mahnung für Mitmenschlichkeit und Toleranz.

Einige der nach Gurs deportierten jüdischen Mitbürger haben in der Gemeinde Mutterstadt gelebt. In einer bemerkenswerten Bürgeraktion engagieren sich Mutterstadter Bürgerinnen und Bürger seit einigen Jahren für das Gedenken an ihre ehemalige jüdische Gemeinde.

Eine Gedenktafel im Ehrenhof des Neuen Friedhofes erinnert an die Namen der 51 Opfer der Deportation, eine virtuelle Rekonstruktion zeigt die verschwundene Synagoge und ein umfangreicher Internetauftritt informiert über die ehemalige jüdische Gemeinde in Mutterstadt sowie über die schrecklichen Ereignisse des Nationalsozialismus.

Ich wünsche mir, dass viele Menschen diese Informationen nutzen werden und dass besonders viele junge Menschen darunter sind. Denn nur wenn die Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen auch in kommenden Generationen wach gehalten wird, kann der Versöhnungsprozess gelingen und die Entschlossenheit groß bleiben, Rassismus und Antisemitismus schon in den Anfängen abzuwehren.

Mein herzlicher Dank geht an all jene, die sich in Mutterstadt mit enormem Engagement dieser Gedenk- und Erinnerungsarbeit widmen: die Gemeinde, die Kirchen- und Pfarrgemeinde, die Vereine und nicht zuletzt einzelne Bürgerinnen und Bürger, die diese wichtige Initiative mittragen. Ich wünsche allen Mitstreiterinnen und Mitstreitern eine breite Resonanz in der Öffentlichkeit und viel Erfolg für ihre weitere Arbeit.


Kurt Beck, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz

Autor: Kurt Beck, Jahrgang 1949, seit 1995 Ministerpräsident des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, ist darüberhinaus Bevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit. Seine direkt an der französischen Grenze gelegene Heimatregion, die 1940 ebenfalls von der Deportation der jüdischen Bevölkerung nach Gurs betroffen war, haben sein politisches Selbstverständnis zu Frankreich und zu Juden geprägt. Auch ein Grund, weshalb er 2000 als erster Ministerpräsident eines Bundeslandes überhaupt persönlich die Gedenkstätte zu Gunsten jüdischer Menschen im französischen Gurs besuchte.

Foto, Presseartikel, die dazugehörenden Texte sowie die Autoren-Kurzbiographie wurden durch den Herausgeber zusammengestellt.
Quelle: Siehe Quellennachweis Titel 9 (Nr. 000)