2.5.4 1. Hälfte des 13. Jh. vor Chr.: Synagogenbildmotiv „Moses im Binsenkorb“. Die Hebräerunterdrückung durch Ramses II. und die Flucht aus Ägypten bis zum Berg Horeb auf dem Sinai.

Eines der sieben Synagogenfenster mit je vier ständig wechselnden Bildern, aus sieben verschiedenen Motiven.

Rekonstruktion durch Micheal Kunz nach Skizzen von Werner Dellheim, Ocalla, Florida.,USA, 2003 Moses als Baby in einem am Nilufer schwimmenden Binsenkorb. Um die hebräische Bevölkerung in Ägypten zu dezimieren, werden auf Befehl die Erstgeborenen getötet. Moses Mutter, eine Hebräerin aus dem Stamme Levi, setzt deshalb das Baby in einer Weise aus, dass dieses -in unserem Falle durch eine Pharaonenprinzessin- gefunden wird. Diese erzieht Moses zu einem gebildeten Manne, der sich dann, sein Hebräertum erkennend, zu einem Volksführer und u.a. vielleicht auch wegen seiner Kenntnis der hochentwickelten Religion der Ägypter zu einem Religionsstifter wandelt. Das obige Bild ist eine Replik der Glasmalerei auf einem Fenster der Mutterstadter Synagoge.

Der in einer Felswand geschlagene Tempel des Ramses II. in Abu Simbel, an der Grenze zum heutigen Sudan gelegen. Mit Kriegsführung und Eroberungen war Ramses II. genauso vertraut wie mit der Fähigkeit, in seiner 66 Jahre dauernden Regierungszeit Frieden zu halten. Im Innern des Tempels steht Ramses Statue gleichrangig mit den Göttern Ptah, Amun und Re.

Die Mumie des Pharaos Ramses II, von den Einbalsamierungsbinden befreit. Ramses, der Unterdrücker der Israeliten, könnte auch der Gegner von Moses und dessen Bruder Aaron im Zusammenhang mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten gewesen sein. Die Ägypter können jedoch den als "Nacht- und Nebelaktion" aufgezogenen Exodus der Hebräer aus Ägypten nicht verhindern.

Die Israelstele des Pharao Mernephtah. Nirgendwo im Alten Testament und im Zusammenhang mit dem Exodus wird der Name Ramses verwendet, obwohl dieser, beispielsweise in Kinofilmen, als Widerpart des Moses gezeigt wird. Wahrscheinlich ist, dass Ramses Sohn Mernephtah, der "Pharao des Auszuges" um 1220 vor Christus, Moses entgegentritt. Beweis: Auf einer Stele des Mernepthah von 1220 vor Christus werden u.a. und zum 1. Male israelische Stämme und das Wort "Israel" genannt.

Das Katharinenkloster am Fuße des Berges Horeb. Hier an einer Quelle lernt Moses während seiner 1. Flucht aus Ägypten seine Frau kennen, heiratet, wird Vater von zwei Kindern und verbleibt 40 Jahre im Familienclan seiner Frau. Gottes Aufforderung, gesprochen aus einem brennenden Dornbusch, veranlasst Moses, nach Ägypten zurückzukehren. Mit Hilfe seines Bruders Aaron gelingt es, den Auszug aus Ägypten erfolgreich zu organisieren. Diese 2. Flucht bringt ihn wiederum an den Berg Horeb, dem Berg der zehn Gebote.

1. Gründe der Motivwahl auf dem Mutterstadter Synagogenfenster = 4. Fenster, rechts, Südseite "Moses im Binsenkorb".

Moses gilt den Juden als Stifter der Jahwe-Religion, die sich unterscheidet von der monotheistischen Religion der Patriarchen und ihrer Nachkommen. Diese leben zu Zeiten Moses seit ca. 350 Jahren unter den Ägyptern und sind zwischenzeitlich zum "Zwölfstämmebund", rückführbar auf die zwölf Söhne des Patriarchen Jakob, herangewachsen.

Die Unterscheidung der Religionspraxis der Patriarchen und der Jahwe-Religion des Mose liegt u.a. in der Hinzufügung ethischer Normen begründet, beispielsweise die kodifizierte Form der zehn Gebote. Diese sind der Kern der neuen Jahwe-Religion. Für jeden Juden ist Moses und seine Hinterlassenschaft, die fünf Bücher Moses, auch Pentateuch genannt, nach Meinung der Wissenschaft erst viele Jahrhunderte später zu Papier gebracht, die große geschichtliche Gestalt des Judentums.

Einer der wichtigsten Grundsätze dieser Religion ist es, dass jeder jüdische Mann und jede jüdische Frau "rechtsverbindlich" direkt mit Gott in Verbindung treten kann, also ohne Priester im Sinne eines Vermittlers. Dies hat zur Folge, dass dieser Glaube tief im Volke selbst verankert wird. Auch impliziert die religiöse Hinterlassenschaft Moses die Begriffe, wie Solidarität mit Schwachen, Freiheit des Volkes, Menschenwürde, Glaube, Hoffnung, Liebe (Ex. 20,25 – Deu. 5,6,f).

Dass der Religionsstifter in angemessener Form in der Mutterstadter Synagoge gleich mit zwei Bildmotiven als Glasmalerei auf den Fenstern vertreten ist, kann niemanden überraschen.

2. Zur Person Moses vor der Verkündung der zehn Gebote am Berg Horeb im Sinai.

Im Buch Exodus 2,1 – 12, also dem 2. Buch Moses im Pentateuch, Teil auch des christlichen Alten Testaments, wird Moses, ein gängiger ägyptischer Name, Sohn eines hebräischen Ehepaars aus dem Stamme Levi und Adoptivsohn einer ägyptischen Pharaonentochter, genannt. Warum Moses in einen Binsenkorb gelegt wurde, ist -als realer Hintergrund- im Buch Exodus 1,15-20 u. 2,10 beschrieben. Es geht um den Dezimierungsplan der Ägypter, den Kinderreichtum der unter ihnen lebenden Hebräer durch die Tötung der Erstgeborenen zu ihren Gunsten zu korrigieren.

Moses Mutter kann das Baby drei Monate lang verstecken, sieht sich aber dann in einer Lage, die sie zwingt, ihren Sohn in einem Binsenkorb in der Nähe eines Pharaonenpalastes im Uferschilf in einer Weise zu verstecken, dass der Korb auch auffindbar bleibt, was -siehe Pharaonentochter- auch gelingt.

Diese zieht Moses auf, gibt ihm eine gute Ausbildung, was Moses, verbunden mit dem dabei erlangten Wissen über Geschichte und Religion Ägyptens u.a. prädestiniert, nicht nur Führer seines Volkes zu werden, sondern auch ein Religionsstifter. Speziell Moses mit seiner Erziehung am Hofe des Pharao war also bestens vertraut mit der Kultur und den technischen Leistungen der Ägypter auf den Gebiet des Pyramiden- und Tempelbaus.

Er war aber auch vertraut mit dem medizinischen Wissen der Ägypter, welches bereits mit Erfolg zuließ Operationen am geöffneten Schädel vorzunehmen. Er war weiterhin vertraut mit der hochentwickelten ägyptischen Religion und dem damit verbundenen Totenkult, der an ein Leben nach dem Tode glaubt. Bestimmt aber hatte Moses -auf die ägyptische Religion bezogen- erkannt, dass diese u.a. auch den Pharao gottgleich anbetende Vielgötterreligion einen "Webfehler" hatte: Ohne den Pharao und die Priesterschaft konnte das gemeine Volk keinen "rechtsverbindlichen" Kontakt zu den Göttern aufnehmen.

Diesen Fakt, genau diesen, wird Moses zu einem späteren Zeitpunkt am Berg Sinai bezüglich der Jahwe-Religion grundsätzlich ändern!

Moses, ägyptisch Mesu und von den Hebräern Mosche gesprochen, ist bereit sich für seine hebräischen Stammesgenossen einzusetzen. So erschlägt er einen ungerecht agierenden Sklavenaufseher, offensichtlich einen Menschenschinder, und muss deshalb Ägypten fluchtartig verlassen.

Moses ist zu diesem Zeitpunkt etwa 40 Jahre alt. Auf der Flucht kommt er zum ersten Male an den Berg Horeb im Sinai. Genauer gesagt an die Quelle, die heute noch am Fuße des Berges entspringt. Diese liegt direkt bei dem Katharinenkloster, erbaut von 527-565 nach Chr.. Dieses Kloster ist übrigens seit dieser Zeit durchgängig bewohnt und zu keinem Zeitpunkt zerstört oder beschädigt worden.

Moses findet dort seine zukünftige Frau, Zippora, Tochter des Jethro, der an diesem Platz seine Herde tränkt. Moses heiratet und hat zwei Kinder, Gerrom und Elieser. Moses verbringt 40 Jahre im Familienclan des Jethro, lernt die topografischen Verhältnisse der Sinai-Halbinsel, speziell auch des Berges Horeb bestens kennen und macht sich -er, der zuvor am luxuriösen Hof des Pharaos gelebt hatte- mit dem harten Leben eines Nomaden vertraut.

Aber Moses gewinnt noch eine ganz andere Fähigkeit: In der Einsamkeit der Wüste, in der beeindruckenden Stille dieser unwirtlichen Landschaften, lernt er zu meditieren, seine Seele zu läutern und Erkenntnisse zu sammeln, die den allermeisten Menschen in ihrer täglichen Hektik generell verschlossen bleiben. Hier in der Stille erscheint ihm Gott im Wunder des "Brennenden Dornbuschs", ihm befehlend nach Ägypten zurückzukehren und die Israeliten, Gottes auserwähltes Volk, aus Ägypten zunächst zum Berge Horeb, und letztlich in das "Gelobte Land Kanaan" zu bringen (Ex 3, 13-15).

Moses wird die gestellte Aufgabe, wie wir noch sehen werden, mit Bravour und mit den Mitteln seiner Zeit lösen. Moses weltgeschichtliche Bedeutung liegt in der Schaffung des Dekalogs, also der zehn Gebote ( Ex. 20 u. Dt. 5 ) als grundlegender Bestandteil des mosaischen Glaubens, wobei die meistens Forscher sich einig sind, dass nur der Kern, nicht die heutigen Formulierungen der zehn Gebote von Moses direkt auf unsere Zeit gekommen sind. Moses war der große Gesetzgeber, der das Wesentliche festlegte, nach dem sich alle Einzelgesetze späterer Zeiten zu richten hatten.

3. Ramses II. = geliebt von Re, der als Gott verehrte Pharao und Unterdrücker der Hebräer.

Tutenchamun, 1314 vor Chr. verstorben, wird vom Begründer der 19., der neuen Pharaonendynastie, Ramses I., dieser gefolgt von Pharao Sethos I., abgelöst 1290 vor Chr.. Dann geht die Macht in die Hand von Ramses II. über, dem Pharao, der die Hebräer unterdrückt. Alle Pharaonen sind die irdische Erscheinung und der Stellvertreter des Himmelsgottes Horus. Sie sind Söhne des Re. Für seine Untertanen sind die Pharaonen die durch Nichts zu ersetzenden Bindeglieder zu den Göttern und damit unverzichtbar für die Kultausübung.

Für die seit Patriarch Jakobs Einzug in Ägypten schon über 350 Jahre dort lebenden Hebräer hat es sich bereits unter Ramses Vater, Sethos I., ergeben, dass diese Dienste als ziegelherstellende Fronarbeiter leisten mussten. Die Hebräer, in den letzten 350 Jahren zu einer Vielzahl von Sippen herangewachsen, leben verstreut in Unterägypten. Einige Sippen, also nicht jede, werden unter Moses Ägypten verlassen.

Zur Person Ramses II., in seiner nordostägyptischen prachtvollen ummauerten Hauptstadt Pi-Ramesse a Aanachtu, am Nil gelegen, einiges in Stichworten: Mit mindestens sechs Hauptfrauen, also ohne die übrigen Nebenfrauen des Harems, zeugte er 90 Kinder, von denen er 86 überlebte, also vier Thronerben hinterließ. Ramses ist 172 cm groß. Väterlich- wie mütterlicherseits aus Offiziersfamilien stammend, ist er auch im militärischen Sinne schon mit 16 Jahren aktiv und außerordentlich erfolgreich. Alle Rekorde aber schlug seine Bauwut: Sein Totentempel in Luxor, Tempelbauten in Abydos, das Ramesseum in der mittelägyptischen Stadt Theben gelegen sind Beispiele. Doch das ist nicht das Ende der Ramsesgeschichte: Am 26.9.1976 wird die Mumie des Ramses II. nach Paris geflogen, wo der Herrscher, Feldherr, Diplomat, Baumeister und Gott vom französischen Staat als verstorbenes Staatsoberhaupt mit militärischen Ehren empfangen wird. Zweck der Reise: Eine notwendig gewordene Sanierung seiner Mumie, die von Bakterien befallen ist.

4. Eine geschichtliche Szenenbeschreibung um 1250 vor Chr., dem Ausklang der Bronzezeit

Um zurückzublenden: So wie aus der Notwendigkeit die Fähigkeit der am Nil wohnenden Menschen erwuchs, diesen Fluss zu zähmen und für Bewässerungsprojekte nutzbar zu machen, forderte, ja zwang diese spezielle Situation die Menschen, sich frühzeitig und dauerhaft staatlich zu organisieren. Die ca. 3000 km lange Flussoase des Nils war lange vor Ramses Zeiten ein überschaubarer, organisch zusammenhängender Flächenstaat mit ca. 3 Mio. Einwohnern, relativ stark bevölkert, geworden. Es kamen die Pharaonendynastien im ägyptischen "Alten Reich", dem wir heute zeitlich die Jahre 3200 vor Chr. bis 2070 vor Chr. zuordnen und im "Neuen Reich" von 1580 vor Chr. bis 1090 vor Chr. an die Macht. Keiner verstand diesem Herrschaftsanspruch der Pharaonen nachhaltiger zu entsprechen als der Pharao Ramses II.

Also: Um 1250 vor Chr., die uns heute bekannten Pyramiden standen bereits zu Moses Zeiten mehr als 1800 Jahre, befinden wir uns in der Zeit des 66 Jahre lang regierenden Pharaos Ramses II (1290 vor Chr. – 1224 vor Chr.) und seines Sohnes Mernephtah (1224-1204 vor Chr.). Wir befinden uns aber gleichzeitig auch in den Lehmhütten der Hebräer in der Landschaft Gosen, die unter Ramses II. für den Pharao sklavenähnliche Fronarbeit leisten. Denn die im Bau befindlichen, östlich vom Nildelta, in der Provinz Gosen gelegene Residenzstadt Tanis, einschließlich deren Paläste, benötigen ziegelproduzierende Sklaven. Wir sind aber auch in der Zeit des mit Bildung und Wissen ausgestatteten späteren Religionsstifters Moses, der zu einer entscheidenden Führungsfigur der fronenden Hebräer aufsteigen wird. In jedem Falle hat Moses eine unumgängliche Maßnahme zu treffen: Den großen materiellen und sozialen Unterschied seiner Hebräer, bezogen auf die Ägypter zu verändern, aber auch das darniederliegende Selbstbewusstsein zu heben, ausgelöst durch die Lebensverhältnisse als Sklavenarbeiter. All dies macht eine radikale Änderung der Lebensumstände der Hebräer notwendig, was jedoch unter den sklavenhalterischen Umständen des Lebens in Ägypten selbst nicht möglich war. Wie auch immer, unterstützt von seinem Bruder Aaron, hat er nur ein Ziel im Auge: Wie bringe ich meine Leute, den Zwölfstämmebund, raus aus Ägypten, in das 300 km nordöstlich gelegene bereits Abraham versprochene, "Gelobte Land Kanaan"? Vor allem: Wie bringe ich dies dem abergläubigen Pharao Ramses II. und dessen Sohn Mernephtah bei?

5. Der Auszug aus Ägypten

Laut der Bibel wird der Pharao durch zehn Plagen zur Einsicht dahingehend gezwungen, die Israeliten aus der Region Gosen ausziehen zu lassen. Zuvor hatten Moses und sein Bruder Aaron dem als Gottesabsicht "verpackten" Wunsch auszuwandern (Ex. 5,1), dem Pharao übermittelt. Es könnte Mernephtah, Ramses Sohn, gewesen sein, der prompt die Fronarbeit verschärfte. Also: Der Gotteswunsch wird durch den Pharao missachtet! Jetzt erst werden dem Pharao durch das Brüderpaar die zehn Plagen u.a. Naturkatastrophen angedroht mit der Folge, abermals eine königliche Zurückweisung zu provozieren. (Ex. 7-11). Der letzte Überredungsversuch des Moses bringt diesem eine Todesdrohung ein. Moses handelt nun zielorientiert und prompt: Am Tage des heutigen Pessach-Festes der Juden entfliehen in einer Nacht- und Nebelaktion Teile der Israeliten in Richtung der Sinai-Halbinsel. Obwohl diese daraufhin durch die Streitwagen des Pharaos verfolgt werden, können sie entkommen, da die Ägypter in einer sumpfigen Seenlandschaft stecken bleiben und -der Sage nach- im steigenden Wasser des Sees ertrinken. Die Israeliten entkommen in einem 50-Tage-Marsch unversehrt in Richtung des Berges Horeb, dem heutigen Dschebel Musa, auf der südlichen Sinaihalbinsel, also in eine Landschaft, die Moses während des 40-jährigen Aufenthalts bei dem nomadisierenden Hebräerclan seines Schwiegervaters Jethro bestens kennengelernt hat. Im Alter von ca. 60 Jahren beginnt der Lebensabschnitt des Moses als Religionsstifter!

Autor: Herbert H.W. Metzger, Jahrgang 1940, unternehmerisch tätig, amtierte von 1980-1990 als Gründungsvorstand des Historischen Vereins der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt. Im Rahmen von zwei Bürgeraktionen und dieser Publikation "Die ehemalige jüdische Gemeinde und ihre Nachkommen" engagiert er sich, das Unrecht, begangen an der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Mutterstadt und der Pfalz, aufzuarbeiten und vor allem die Jugend über das Schicksal des Pfälzer und Mutterstadter jüdischen Bevölkerungsteils zu informieren.

Quelle:"Die Bibel und ihre Welt", Lübbe-Verlags-GmbH, S. 1003-1010 "Magazin Damals", Heft 6/04, Seite 12-33.