Eines der sieben Synagogenfenster mit je vier ständig wechselnden Bildern, aus sieben verschiedenen Motiven.
Rekonstruktion durch Micheal Kunz nach Skizzen von Werner Dellheim, Ocalla, Florida.,USA, 2003 Josef, Minister eines Pharaos aus der Hyksos-Dynastie um 1700 vor Christus. Im 16. Jh. vor Christus besiegen die fremdländischen Hyksos die bodenständigen Ägypter und errichten in Nordägypten eine eigene Dynastie. Anschließend stehen diese in permanenter Interessenkollision mit den ägyptischen Herrschern im -nicht besetzten- Südägypten. Die zu Josefs Lebzeiten wegen Hungersnöten aus Kanaan kommenden Hebräer, unter ihnen der Familienclan des Patriarchen Jakob, bleiben ca. vier Jahrhunderte bis ca. 1250 vor Chr. in Nordost-Ägypten. Das obige Bild ist eine Replik der Glasmalerei auf einem Fenster der Mutterstadter Synagoge.
Die wichtigsten Herrscher der 18. Pharaonen-Dynastie während des Aufenthaltes der Hebräer in Ägypten. Die von Theologen so genannte Patriarchenzeit, die die Lebensspanne des Abrahams, Isaaks und des -sich später Israel nennenden- Jakobs umfasst, zusammenaddiert insgesamt 200 Jahre, endet mit dem Einzug der elf Söhne des Jakobs und ihrer Familienclans nach Nordost-Ägypten. Dies geschah mit Hilfe des 12. Sohnes und der rechten Hand des Pharaos, Josef, und während einer Hungersnot u.a. in Kanaan. Sie bildeten die Keimzelle der zwölf Stämme Israels, des späteren Zwölfstämmebundes. Laut der Bibel blieben die Söhne mit ihren sie begleitenden Familienclans für ca. 400 Jahre, an Zahl stets zunehmend, in Ägypten. Unter dem Pharao Ramses II. im 13. Jh. vor Christus als ziegelherstellende Fronarbeiter unterdrückt, schweißen sich die Stammesgruppen zu einem Bund zusammen. Der Zwölfstämmebund entsteht. Das Foto zeigt von links nach rechts den weiblichen Pharao Hatschepsut, den Religionsstifter Amenophis IV., Echnaton genannt, und Tutenchamun, mit dem die 18. Pharaonen-Dynastie endet.
1. Gründe der Motivwahl auf dem Mutterstadter Synagogenfenster, 3. Fenster, Nordseite
"Josef als ägyptischer Minister" und seine Familie Wie bereits in der Beschreibung des 1. Josefmotivs angedeutet, hatte der erstaunliche Lebensweg des Josef diesen zum einflussreichen Minister, praktisch zur rechten Hand des ägyptischen Pharaos aus der Dynastie der Hyksos (1730-1580 vor Chr.) gemacht.
Einfluss, Reichtum, die Macht jeden zu strafen, mit großem Wissen ausgestattet, das verkörperte der hochgeachtete Traumdeuter Josef. Aber darüber hinaus: Josef hatte erkannt, dass diese Werte zweitrangig sind, wenn das Wichtigste in einem Leben, die eigene Familie, im Streit getrennt ist. Wenn man weiß, dass für Juden die (Groß-) Familie schon immer eine Festung gegenüber den Unbillen der Zeiten war und ist, haben wir eine Begründung mehr, weshalb die Mutterstadter Auftraggeber dieses Motiv auswählten: Der verzeihende, den Gleichklang in der Familie suchende Josef ist ein großes Vorbild für Juden in aller Welt.
2. Zur Person des Josef während seines Aufenthaltes in Ägypten
In Ägypten zunächst eine Art Generalmanager des Haushalts seines Dienstherrn Potiphar, weist er die Annäherungsversuche dessen Ehefrau zurück, was ihm prompt, zwecks Vertuschung der Tatsachen, eine Vergewaltigungsversuchsanklage seitens der enttäuschten und dann die Folgen fürchtenden Ehefrau einbrachte.
Ins Gefängnis geworfen, also "ganz Unten", wie damals im Brunnen seines Vaters, schaffte er es dank seiner zwischenzeitlichen auch dem Pharao bekannt gewordenen Fähigkeit der Traumdeutung zu diesem gerufen zu werden. Er gewinnt des Pharaos Vertrauen dahingehend, auch dessen Haushalt, also das ganze Ägypterland, als Minister und Hauptadministrator -bleiben wir beim Wort- zu managen.
Sein Erfolg lag darin, die Ernährungsgrundlage des ägyptischen Volkes zu verbreitern und diese durch das Anlegen von Kornspeichern langfristig sicherzustellen. Mit anderen Worten: Josef, als Politiker, nahm keine "wird-schon-gut-gehen-Position" vieler heutiger Verantwortlicher in Politik und Wirtschaft ein, sondern handelte effizient und dogmatisch: Er führte eine 20-prozentige Steuer in Form von Kornlieferungen der Bauern ein, was Vorsorge für schlechte Zeiten bedeutete.
Aus der Josefsgeschichte geht hervor, dass er mit 110 Jahren in Ägypten starb und einbalsamiert wurde. Ägypten war übrigens eine Weltmacht und, modern gesprochen, kultureller und technologischer Trendsetter, vergleichbar mit den heutigen Vereinigten Staaten von Amerika. Der Wunsch Josefs, mit dem ägyptischen Ehrennamen Zapenat-Panenas versehen, in Kanaan im Grab seiner Familie beerdigt zu werden, wurde nicht realisiert.
Erst die aus Ägypten unter ihrem Führer Moses abziehenden Hebräer nahmen Josefs Mumie mit auf ihre 40-jährige Wanderschaft durch die Sinai-Halbinsel und weiter in das "Gelobte Land Kanaan", um ihn in der Höhle Machpela des Patriarchen Abrahams in Mamre bei Hebron zu bestatten. So wenigstens die Legende.
3. Die Einbalsamierung des Josef und der ägyptische Totenkult
Als rechte Hand des Pharaos, als sein wichtigster Minister, stand Josef nach seinem Tode ein Staatsbegräbnis zu, das ihn nach ägyptischem Glauben auf ein Leben nach dem Tode vorbereiten sollte. Diese Glaubensvorstellung beinhaltete auch, dass ein Verstorbener erst dann endgültig und unwiderruflich den Weg des Untergangs ging, wenn ihm nicht regelmäßig und auf Dauer Nahrungsmittel und Trinkwaren sowie Gegenstände des täglichen Lebens geopfert wurden. Dies geschah im Regelfall durch den ältesten Sohn oder durch einen von der Familie bezahlten Totenpriester.
Gräber, ausgemalt mit opulenten Speise- und Trinkszenen, stellten eine "automatische Dauerversorgung" des Toten dar. Die Bestattungen selbst waren geprägt von der Idee des Fortlebens nach dem Tode bei einem auf Dauer gleichbleibenden nicht der Verwesung preisgegebenen Aussehen des Verstorbenen: Man entwickelte die Mumifizierung der Toten. Nach der Entfernung der Weichteile aus dem Körper und deren Verbringung in vier Krügen, den Kanopen, wurde der Körper in Natron gelegt, welches dem Leichnam die letzte Flüssigkeit entzog.
Der durch hochkarätige Spezialisten 70 Tage lang ausgeführte Vorgang der Einbalsamierung, u.a. das Umwickeln der Leiche mit Leinenbinden und deren anschließenden Bestreichung mit einer Gummimasse, sowie das Aufbringen einer schön geformten und bemalten, portraitähnlichen Gips- oder Metallmaske auf dem Gesicht des Toten, machte aus der ansonsten der Verwesung ausgesetzten Leiche eine Jahrtausende überdauernde Mumie. Wichtig war auch das Einlegen des Herz-Skarabäus, ein Amulett, in den Brustkorb der Leiche zwecks sicherem Geleits in das Jenseits. Die Mumie selbst wurde in einen Sarg gelegt, der mit einem Leichenzug der Trauergemeinde von der Mumifizierungsanstalt abgeholt wurde, begleitet von professionellen Klageweibern. Am "Endlagerungsort", der Grabkammer, wurde der Sarg, zusammen mit den steinernen Kanopenkrügen, die Weichteile des Toten enthaltend und versehen mit Kuchen und Getränken als Nahrung für das Leben nach dem Tode, in einen steinernen Sarkophag gelegt.
Eine durch Priester gestaltete Beerdigungsfeier beendete die Prozedur. Eine der wichtigsten religiösen Handlungen -vor der Verbringung in die Grabkammer- wurde zuvor an der senkrecht stehenden Mumie vorgenommen: die "Mundöffnung". Man schnitt in ein kleines Loch im Bereich des Mundes in die Einbalsamierungsbinden. Dies wurde durch einen Priester ausgeführt. Diese Maßnahme sollte es dem Toten ermöglichen, die Lebenskraft zurückzubekommen.
Das Begräbnis und die Einbalsamierung des Josef in diesem Zusammenhang und in dieser Weise so genau zu beschreiben erfolgt mit der Absicht, das kulturelle Umfeld und die religiösen Vorstellungen als Teil des Staatsverständnisses der Ägypter zu verdeutlichen, ein Staatsverständnis, von dem die unter den Ägyptern lebenden Hebräer sicherlich im Sinne einer Vorbildfunktion beeinflusst wurden.
Beeinflusst beispielsweise dahingehend, dass ihre Entwicklung zu einem Staatsvolk erstrebenswert wurde, also weg von einer -im politischem Sinne nicht relevanten- Ansammlung hebräischer Familienclans hin zu einem Stammesbund und nach der Landnahme unter Josua und zu einem Volk in einem Königreich unter Saul, David und Salomon.
Ist aber unser christliches Abendland ohne Zweifel durch den hebräisch-jüdischen Gottesglauben seit Abraham geprägt -das Alte Testament sei ein Beispiel- und bejaht man wiederum die Beeinflussung der hebräisch-israelitisch-jüdischen Kultur durch Ägypten, so schließt sich ein Kreis: die Wurzeln unserer abendländischen Kultur liegen in Ägypten.
4. Patriarch Jakob, Israel genannt, seine zwölf Söhne und ihr Aufenthalt in Ägypten.
Mit Josef und seiner Familie verbunden ist die Geschichte seines Vaters, des Patriarchen Jakob, der sich auch Israel nennt, und die Geschichte seiner zwölf Söhne, insgesamt ein Familienclan von ca. 70 Personen.
Des Pharaos Traum von den "sieben mageren Kühen", von Josef gedeutet als "sieben magere Jahre" für Ägypten, sowie die in Folge erbauten Vorratsspeicher waren in Form einer Dürreperiode -nicht nur in Ägypten- sondern auch in ganz Westasien, also auch am Mittelmeer und somit im ca. 300 km von der Nilmündung entfernt gelegenen Kanaan spürbar.
Unsere viehzüchtenden nomadisierenden Hebräer -der Jakob-Familienclan gehörte dazu- hielten sich dabei u.a. im bergigen, oftmals halbwüstenartigen Hinterland von Kanaan dem heutigen Israel/Palästina oder in der Sinai-Halbwüste auf. Sie bekamen also zusammen mit ihrem Vieh Nahrungs- und Wasserversorgungsprobleme.
Eine ägyptische Inschrift, die auf unsere Zeit gekommen ist, besagt, dass die Grenzposten des Ägypterreiches durchaus gewohnt waren, hilfesuchende Nomaden nach Ägypten einzulassen, in ein Ägypten, das durch den Nil und ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem gegen solche Naturkatastrophen besser gewappnet war.
Jakob, der Patriarch, der übrigens zu diesem Zeitpunkt noch im Glauben lebte, dass sein Lieblingssohn Josef tot sei, und von seinen elf übrigen Söhnen wider besseren Wissens in diesem Glauben belassen wurde, musste nach Rettung Ausschau halten.
Die Geschichte nimmt also dahingehend ihren Lauf, dass Jakob, von dieser großzügigen Regelung der Grenzüberschreitung wissend, seinen Sohn Juda nach Ägypten schickt, um die formelle Erlaubnis des Pharaos oder, wir ahnen es, bei dessen Stellvertreter, seinem Minister Josef, also Judas Halbbruder, einzuholen. Josef, seinem Sinn für Familie nachgebend, gewährt letztlich diesen Wunsch; die Familie wird wieder vereint.
5. Eine geschichtliche Szenenbeschreibung um das 14. Jh. bis 13. Jh. vor Chr.
Zunächst: Das ca. 200 Jahre dauernde "Patriarchenzeitalter" liegt bereits seit mehr als 100 Jahren zurück. Der Aufenthalt der Hebräer in Ägypten wird noch ca. 300 Jahre dauern. Amosis, der Besieger der Hyksos um 1537 vor Chr., eine neue Pharaonendynastie errichtend, stellt für die nächsten 200 Jahren die Weichen für ein wirtschaftlich und kulturell aufblühendes Ägypten, von dem auch die Hebräer profitieren.
Seine Dynastie 1580-1314 vor Chr., von einer späteren Zeit als 18. Pharaonendynastie und unter dem Begriff "Neues Reich" eingestuft, zählt zehn Nachfolger, endend mit Tutenchamun. Eine der wichtigsten seiner Nachfolger ist eine Frau, die Pharaonin Hatschepsut, deren Palast auch in unserer Zeit noch äußerst beeindruckend wirkt. Eine weitere herausragende Herrscherpersönlichkeit dieser Dynastie ist Amenophis IV. (1372-1354 vor Chr.), auch Echnaton genannt, dessen Anbetung der Sonne in Form der Sonnenscheibe als alleiniger Gott einer Revolution gleichkommt. Dies bezogen auf die Jahrtausende alte Vielgötter-Götzenreligion der Amunpriester. Dieser Monotheismus kann sich aber nur bis kurz nach seinem Tode halten. Der Nachfolger Tutenchamun und das Volk wenden sich wieder dem alten Amunglauben und seiner feudal- und ausbeuterisch lebenden Priesterkaste zu.
Tutenchamun (1354-1314 vor Chr.) ist deshalb zu nennen, weil in den 1920er Jahren sein Grab mit seiner prächtig geschmückten Mumie ausgegraben wurde, ein einmaliger Fund mit reichhaltigen vollkommen erhaltenen Grabbeigaben.
Mit Tutenchamun endet die Geschichte der 18. Dynastie. Die 19. Dynastie, nach dem dominierenden Herrscher Ramses I. und seiner direkten Nachkommen auch Ramesiden genannt, übernimmt ab 1314 vor Chr. die Herrschaft, deren größter Pharao ab 1290 vor Chr. Ramses II. ist. Für die Hebräer, als wohl überwiegend nomadisierende Mitbewohner des Ägypterlandes, wird sich aber unter Ramses II. und dessen Vater Sethos I. ihr Leben zum Schlechteren wenden.
Autor: Herbert H.W. Metzger, Jahrgang 1940, unternehmerisch tätig, amtierte von 1980-1990 als Gründungsvorstand des Historischen Vereins der Pfalz e. V., Ortsgruppe Mutterstadt. Im Rahmen von zwei Bürgeraktionen und dieser Publikation "Die ehemalige jüdische Gemeinde und ihre Nachkommen" engagiert er sich, das Unrecht, begangen an der ehemaligen jüdischen Gemeinde von Mutterstadt und der Pfalz, aufzuarbeiten und vor allem die Jugend über das Schicksal des Pfälzer und Mutterstadter jüdischen Bevölkerungsteils zu informieren.
Quelle: "Die Bibel und ihre Welt", Seite 56-76, Lübbe-Verlags GmbH, Bergisch-Gladbach. "Bibel Heute, Josef in Ägypten", 1998, Kath. Bibelwerk e.V. Stgt.