Die Fotos zeigen zum Einen den Antransport einfacher Holzsärge durch Häftlinge des Deportationslagers Gurs. Das Foto des Friedhofes in Gurs 1941 zeigt Gräber in einer Schlammwüste, die auch dem eigentlichen Lagerbewohner im Herbst und Winter das Leben zur Hölle machten. Auf den einfachen Holztafeln standen die Namen und Lebensdaten der Verstorbenen. [000]
Obiges Foto zeigt den Friedhof in Gurs 1998. Der nebenstehende Brief der Autorin Maria Krehbiel lässt mehrere Rückschlüsse auf die Lebensumstände im Lager Gurs zu. Zum Einen beschreibt Maria die seelische und körperliche Drangsal ihres Lebens. Zum Anderen erfährt man, was im Lagerleben wichtig war: Warme Kleidung, Kalorienreiche Nahrung und Medikamente. [000]
Vorbemerkung:
Mit dem nachstehenden Gursbericht kommt eine Autorin zu Wort, die, aus Mannheim stammend, selbst Transport, Lager und Lagererfahrungen ausgesetzt war. Bemerkenswert dabei ist, dass Maria Krehbiel, jüdischer Herkunft, zum Christentum konvertiert, trotzdem die Kraft hatte Briefe an Freunde und Bekannte zu schreiben. Dies wird in bemerkenswerter Weise deutlich einerseits in einer analytischen Diktion aus der Seelenpein, andererseits durch ein liebevolles Eingehen auf die ihr Nahestehenden.
Zitat der Maria Krehbiel: …die Welt liebt es nicht, das Traurig-Düstere mehr als einmal zu hören. Man hört auf, nach ein paar Tagen davon zu erzählen… …die Welt hier (in Gurs) hat ihre eigenen Sorgen, ihre Eile… Gräuel, menschliche, zwischenmenschliche Abscheulichkeiten kommen in ihren Briefen, voll Poesie geschrieben, nicht vor.
Camp de Gurs, benannt nach dem 18 km von Oloron entfernt gelegenen Dorf, wurde im Frühjahr 1939 von in Frankreich internierten Soldaten der spanischen republikanischen Armee errichtet. Im Oktober 1940 befanden sich von dieser ersten Belegschaft noch ca. 700 Personen, hauptsächlich in Arbeitsdetachements eingegliederte Männer, im Lager. Seit dem deutschen Angriff auf Holland, Belgien und Frankreich im Mai 1940 waren gegen 4000 deutsche Staatsgangehörige, meist vor dem Kriegsausbruch geflüchtete „Nichtarier“, hinzugekommen. Es handelte sich vor allem um von den belgischen Behörden verhaftete und vielfach über das Lager St. Cyprien (bei Perpignan) abgeschobene Männer. Das Lager unterstand ursprünglich der französischen Armee, später der Zivilberatung (mit Gendarmen als Bewachern).
Zur Linken (südlich) der Straße Oloron-Navarrenx auf baumlosem, ehemaligem sumpfigem Ödland gelegen, breitete es sich, von mehrfachen hohen Stacheldrahtverhauen eingezäunt, in einer Länge von fast 2 km und schätzungsweise 500 m breit aus. Durch die Mitte führte eine gepflasterte Lagerstraße. Zu ihren beiden Seiten standen die einstöckigen Baracken, mit Dachpappe gedeckt, Bretter- oder Lehmböden. Je 25 der eng aneinandergereihten dünnwandigen Hütten bildeten ein Ilot, das seinerseits mit Stacheldraht umgeben und am Eingang von Posten bewacht war. Angehörige anderer Ilots durften nur mit einem Passagierschein eingelassen werden. Im vorderen, dem Hauptor näheren Teil des Lagers, befanden sich die Männer-Ilots A-H, im rückwärtigen, durch einen – noch einmal bewachten – Schlagbaum abgetrennt, die Ilots I-M für die Frauen. Bei engster Belegung „fasste“ eine Baracke 60 Menschen, die Kapazität des Lagers hätte also 18 000 betragen, wenn nicht manche der Behausungen unbewohnbar und die Mehrzahl der übrigen mehr oder weniger schadhaft gewesen wären. In den fensterlosen Gebäuden gab es zur Liegestatt anfangs kaum Stroh, dann beschaffte die Verwaltung wenigstens für die Alten und Kranken Bettgestelle. Tische und Stühle standen nicht zur Verfügung. Alles spielte sich auf den „Betten“ ab. Schwaches elektrisches Licht wurde in den Abendstunden von 6 bis 8 Uhr eingeschaltet. Öfen scheint es in der Regel erst ab Frühjahr 1941 gegeben zu haben. Aber schlimmer als Kälte, Dunkelheit, Staub und Lärm war der lehmige Schlamm, in den sich die Barackenzwischenräume bei den häufigen Regenfällen verwandelten. Der bis knietiefe Morast, in dem auch die Sabots, die Gummistiefel, die man von den Spaniern kaufen konnte, stecken blieben, war beinahe der ärgste Feind der Häftlinge. Am quälendsten waren bei Frost oder Morast die unvermeidlichen Gänge zur Latrine (das Wort Toilette wäre unangebracht): Es gab in jedem Ilot etwa zwei oder drei „Hoch-burgen“; das war ein Aufbau, zu dem etwa sechs bis acht Stufen führten; oben, nach außen durch eine Wand verdeckt, befand sich ein Brett mit sechs Löchern, jedes vom andern durch eine halbhohe Wand getrennt, und zu Häupten ein Dach. Unter jedem Loch stand ein Fass, das zwei- bis dreimal in der Woche geleert wurde. Diese „Hochburgen“ waren in der Nacht nicht beleuchtet, die Treppenstufen im Winter mit Eis und Schnee bedeckt. Aber auch untertags war der Weg durch den hohen Schlamm für Gesunde, noch mehr für Kranke, eine Qual. Die Nahrung mit Morgengetränk (Kaffee), Mittags- und Abendsuppe, in den Ilots gekocht, und durch 250 g Brot auf durchschnittlich 1000 Kalorien gebracht, war ganz unzureichend. Hunger, die völlig ungenügende Hygiene – mehrfache Ruhrepidemien, Läuse und anderes Ungeziefer – und mangelhafte ärztliche Versorgung hatten eine erschreckend hohe Sterblichkeitsrate zur Folge, je Monat des Winters 1940/41 betrug sie bis 500.
Hier musste die Lagerverwaltung, nur wenige Stunden vor der Ankunft der ersten Transporte von der Veränderung unterrichtet, die Neuankömmlinge unterbringen: Kinder, Greise, Kranke, Gesunde; Bettlägerige waren auf Tragbahren in den Sammelorten an die Bahn gebracht worden, der älteste Deportierte war ein 97-jähriger Mann aus Karlsruhe, der jüngste Mannheimer ein dreieinhalb Monate alter Säugling. Auch bei gutem Willen der französischen Dienststellen, der oft vorhanden war, mussten nach dem 24. Oktober 1940 furchtbare Zustände im Lager eintreten. Die aus administrativen Gründen vorgenommene Trennung der Familien – zur Teilnahme an der Beerdigung des Ehegatten (wenn man von seinem Tod erfuhr) auf dem zum Lager gehörigen Friedhof musste ein Passagierschein beantragt werden –, die Verzögerung und Kontingentierung der Post durch die Zensur verursachten weitere Pein. Erst allmählich wurde die Lage gebessert: Individuelle Hilfe, die freilich vor allem den mit „Beziehungen“ Ausgestatteten zugute kam, bald auch die Tätigkeit allgemeiner Hilfswerke: Rotes Kreuz, jüdische Organisationen, die christlichen Kirchen, Quäker, C.V.J.M., Secours Suisse, brachten Linderung.
Autorin: Maria Krehbiel, geb. Darmstädter, Jahrgang 1892, Jüdin, mit 21 Jahren getauft, aus Mannheim, wurde am 11.03.1943 von Drancy nach Auschwitz deportiert. Seitdem gibt es keine weiteren Informationen über sie. In 156 bewegenden Briefen aus Gurs, Limonest und Drancy lässt sie sich nicht von ihrem christlich geprägten Menschenbild abbringen. Aus ihren Informationen wurde eine außergewöhnliche präzise Lagerbeschreibung und die Lagerumstände der Nachwelt überliefert.
Fotos und Sonstiges sowie die dazugehörenden Texte, die Autoren-Kurzbiographie sowie die Multiple-Choice-Fragen wurden durch den Herausgeber zusammengestellt.
Quelle: Siehe Quellennachweis Titel 9 (Nr. 000)
Für Schulen: Multiple-Choice-Fragen zu dem oben stehenden Artikel
- Mehrere Antworten können richtig sein -
Was verursachte den Lagerinsassen die größte Pein?
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Kälte, Dunkelheit, Staub, Schlamm bei Regen |
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Ruhrepidemien, Läuse, schlechte med. Versorgung |
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Postzensur |
Wer half mit, um bei den Lagerinsassen Leid zu vermindern?
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Rotes Kreuz |
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jüdische, christliche und kirchliche Organisationen |
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niemand half |