Dieses Denkmal zur Erinnerung an den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 befindet sich auf dem „Alten Friedhof“ in Mutterstadt. [000]
Ich muss bezüglich einem Nachwort zu der vorliegenden Publikation „Die ehemalige Mutterstadter jüdische Gemeinde, die Gurs-Deportation 1940 und Auschwitz“ zugeben, dass ich lange darüber nachdenken musste, was ich gewissermaßen als ehemaliges Mitglied der jüdischen Gemeinde in Mutterstadt, in der ich meine Bar Mizwa gefeiert habe, schreiben sollte. Zu viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, ich muss mich aber auf wenige beschränken.
Zuerst möchte ich all denen danken, die sich der Aufgabe stellten, die Tragödie der jüdischen Gemeinde Mutterstadts darzustellen und sie den heutigen und künftigen Bewohnern als Teil der Geschichte dieses Ortes zu vermitteln. Mir liegt viel daran, verbrachte ich doch hier meine Kindheit, liegen doch hier die Gräber der Vorfahren meines Vaters – während es keine Gräber meiner Eltern und Schwester gibt.
Dem Herausgeber und – ich fühlte mich geehrt- meinen Mitautoren bei dieser Internet- und Buchpublikation gegenüber danke ich.
Die mit Mutterstadt verbundenen Persönlichkeiten, zusammengefasst in den zwei Bürgeraktionen zu Gunsten der ehemaligen jüdischen Gemeinde, haben mit enormem Fleiß, mit viel ideellem, materiellem und auch finanziellem Aufwand hundertfach das wettgemacht, was ich in dem Buch meines ehemaligen Lehrers, Heinrich Eyselein, über die Geschichte von Mutterstadt vermisste, ja als Geschichtsfälschung empfand.
Zweitens: Diese Ereignisse liegen jetzt bald 60 bis 70 Jahre zurück und ich kann mir gut vorstellen, dass junge Leute heute das als ferne Vergangenheit betrachten ohne jeden Bezug auf gegenwärtige Probleme. Ich erinnere mich an einen Umzug alter Männer, vielfach ordensgeschmückt und uralte Militärfahnen tragend. Das muss 1935 gewesen sein. Ich wollte wissen, worum es ging, folgte diesem Umzug auf den Friedhof und erfuhr dort an einem Denkmal, dass man des 65. Jahrestags der Schlacht von Sedan gedachte. Das erschien mir damals auch wie tiefstes Mittelalter, bestenfalls als etwas für den Geschichtsunterricht.
Aber die Nazizeit, in der auch die jüdische Gemeinde von Mutterstadt vernichtet wurde, ist untrennbar mit dem 2. Weltkrieg verbunden, denn sie führte ja zu diesem verheerenden Krieg. Er kostete fast 60 Millionen Menschen das Leben und wirkt bis heute fort.
1945 – als das Hitlerregime zerschlagen war und begonnen wurde, die Grundlagen für ein demokratisches Deutschland zu schaffen – da waren sich alle gesellschaftlich aktiven Kräfte einig, dass es galt, den Faschismus und seine menschenfeindliche Ideologie, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus, sowie nationalistisch-völkische Arroganz zu überwinden. Man nannte das den „antifaschistischen Konsens“, wurde er doch von Menschen unterschiedlicher politischer Überzeugungen, religiöser Bindungen, sozialer Stellung, Alter oder Herkunft getragen.
Diesem Konsens entspricht auch das Grundgesetz. Nicht zufällig lautet Artikel 1: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
Die Menschenwürde – unabhängig auch von ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe oder Nationalität -, das friedliche Zusammenleben und die Demokratie zu verteidigen, das sollte auch Aufgabe und Anliegen jedes Bürgers sein, gleich ob jung oder alt. Ich schreibe diese „Selbstverständlichkeiten“, weil ich schließlich darauf aufmerksam machen möchte, dass es leider auch andere Kräfte gibt. Da werden Menschen überfallen und gejagt, nur weil sie eine andere Hautfarbe haben. Da werden jüdische Grabsteine zerschlagen und Friedhöfe geschändet, da werden Konzerte mit Naziliedern organisiert und fremdenfeindliche Parolen kolportiert – das alles weckt bei mir Erinnerungen.
Solchen neofaschistischen Umtrieben darf man nicht tatenlos zusehen. Die Erfahrung lehrt: Rassismus, Fremdenhass und Antisemitismus gehören zu den verlogenen „einfachen Antworten“ auf gesellschaftliche Probleme, derer sich Nazis gemeinsam mit sozialer Demagogie gern bedienen. Und manche fallen leicht darauf herein.
Ich hoffe, dass die Mutterstädter Jugend aus der Geschichte ihrer Gemeinde die richtigen Schlüsse zieht und zu der Überzeugung gelangt: Faschismus, das ist keine Meinung sondern ein Verbrechen.
Autor: Alfred (Fred) Dellheim, Jahrgang 1924, Mutterstadter jüdischer Herkunft, stammt aus einer angesehenen Pferdehändlerfamilie. Er entkam per „Kindertransport“ im Jahre 1939 dem NS-Regime und kehrte 1945 mit der englischen Armee nach Deutschland zurück. Übersiedelt in die DDR brachte er es dort zum Leiter eines Maschinenbaukonzerns. A. Dellheim ist darüber hinaus tätig als Publizist in sozialer und antifaschistischer Thematik.
Fotos und Sonstiges, sowie die dazugehörenden Texte, die Autoren-Kurzbiographie, sowie die Multiple-Choice-Fragen wurden durch den Herausgeber zusammengestellt.
Quelle: Siehe Quellennachweis Titel 9 (Nr. 000)