9.3.8 Rheinpfalz-Artikel vom 10.12.2001
– Gurs-Deportation: Der lange Weg zum Denkmal -

Gurs-Deportation: Der lange Weg zum Denkmal

Mutterstadt: Gemeinderat beschäftigt sich mit Gedenktafel für verschleppte jüdische Mitbürger

Die Überlegungen der Gemeinde Mutterstadt, für die 1940 nach dem südfranzösischen Gurs verschleppten jüdischen Mitbürger eine Gedenkstätte zu errichten, konkretisieren sich. Die Entscheidung über eine Gedenktafel im Ehrenhof steht auf der Tagesordnung des Gemeinderats (morgen, 19 Uhr).

Die Gemeinde betrachtet das von mehreren Seiten vorgebrachten Anliegen grundsätzlich positiv, äußerte sich Bürgermeister Ewald Ledig gegenüber der RHEINPFALZ. Der Kulturausschuss hat der Gemeindeverwaltung nun in seiner Novembersitzung vorgeschlagen, eine Erinnerungstafel im Ehrenhof des Neuen Friedhofs im Stil der bereits vorhandenen Tafeln anbringen zu lassen.

Im Oktober 1940 wurdn 52 jüdische Mitbürger in ein Lager nach Gurs gebracht. Damit war Mutterstadt „judenfrei“, wie es im Jargon der Nazis hieß. Viele der Verschleppten überlebten die Torturen nicht oder wurden in den Gaskammern Opfer des Rassenwahns. Der Historische Verein forderte daher zum 60. Jahrestag der Vertreibung eine Gedenkstätte für die vertriebenen Juden. Mit Unterstützung der Kirchen wurde am 23. Oktober 2000 ein ökumenischer Gedenkgottesdienst unter großer Beteiligung der Bürger organisiert. Herbert Metzger, Mitglied und Motor dieser auf Erinnerung und Versöhnung ausgerichteten Idee, hatte hier die Gelegenheit, seine Vorstellungen für die Gedenkstätte auch den zahlreichen Gottesdienstbesuchern zu unterbreiten. „Lasst uns den Deportierten endlich wieder ein Gesicht geben“, forderte der Historiker. Metzgers weitgehende Vorstellung von Ausführung aber auch Finanzierung der Gedenkstätte lösten eine lebhafte Diskussion aus, die zwar nicht öffentlich geführt wurde, jedoch Spuren hinterließ. Der Vorstand des Historischen Vereins teilte seinen Mitgliedern bei der Generalversammlung mit, dass der an die Gemeinde gestellte Antrag zur Errichtung einer Gedenkstätte zurückgezogen wurde. „Dieses Mahnmal hat eine politische Dimension, die nicht vom Verein umgesetzt und verwirklicht werden kann, erklärte der damalige Vorsitzende Gerald Becker.

„Wir unterstützen weiterhin eine Gedenk- und Mahnstätte als sichtbares Zeichen der Gemeinde, dass sie für begangenes Unrecht einsteht“, sagt der protestantische Pfarrer Hans-Peter Jung im Konsens mit seinem katholischen Kollegen. Der Pfarrer kann sich die von verschiedenen Seiten in das Gespräch gebrachte Gedenktafel mit Namensgravur im Ehrenhof des Neuen Friedhofs durchaus vorstellen.

Auch der Historische Verein stehe der Sache grundsätzlich positiv gegenüber, erklärt dessen neu gewählter Vorsitzende Lutz Bauer. „Wir sind im Moment noch am ermitteln, wie und in welcher Form man sich der ehemaligen jüdischen Mitbürger erinnern will“, sagt Bürgermeister Ewald Ledig, der einer Gedenktafel nicht abgeneigt ist. Kontakte mit der jüdischen Gemeinde, die positiv reagiert habe, seien bereits aufgenommen worden. Unter Einbeziehung der Bürger und aller Betroffenen ist sich Ledig sicher, diesem dunklen Kapitel in der über 1200-jährigen Geschichte der Ortsgemeinde eine würdige Gedenk- und Mahnstätte zu widmen.